Gustav Gerhardy

*12.8.1858 +17.5.1923
Text: Leo Gerhardy, "Chronik der Gerhardys"

Gustav Gerhardy
Gustav Gerhardy ca. 1883 Gustav Gerhardy
Gustav Gerhardy
Gustav Gerhardy Gustav Gerhardy Generalmajor (1858 - 1923)


Gustav Gerhardy
Generalmajor (1858 - 1923)

Gustav Gerhardy, der jüngste Bruder meines Vaters, wurde Offizier.1 Technisch interessiert fuhr er Hochrad und war Führer der ersten Abteilung des Heeres, die mit Fahrrädern ausgerüstet war. Er war begeisterter Ballonfahrer, hatte als solcher einen Freiballon und einen Fesselballon, unterstand mit seiner Sonderwaffe dem Kriegsminister. Für einen Leutnant eine herrliche Sache. Gustav Gerhardy blieb Kummer nicht erspart. Sein Sohn Armin war im frühen Kindesalter verstorben. Von seinen 4 Töchtern machte die Älteste, Ada, Schwierigkeiten. Was im Grunde die Dinge waren, weiß ich nicht genau. Ada ging nach Paris, irgendwelche Liebschaften waren die Ursache. Aber das kann es nicht allein gewesen sein. Es müssen Dinge geschehen sein, die die Existenz Gustav's als Offizier gefährdeten.2 Es kam zu einem Bruch, der nie geheilt worden ist. Als Gustav nach dem 1. Krieg in Carlshafen starb, hat die Familie abgelehnt, Ada zur Teilnahme an der Bestattung des Vaters aufzufordern. Während des 2. Weltkrieges starb Gustav's Frau3 Tante Hanny, also die Mutter. Auch hier lehnte die Familie ab, Ada zur Teilnahme an der Beerdigung aufzufordern. Jedenfalls erfuhr die Laufbahn Gustav's einen Knick4, und er wurde zum Kriegsbekleidungsamt versetzt. Das war für ihn sehr bitter; aber er hat was daraus gemacht. Da er finanziell ziemlich unabhängig war er hatte von seinem Onkel Hermann geerbt, seine Frau war eine wohlhabende Apothekerstochter aus Lübeck5 - hatte er wirtschaftlich keine Sorgen. Er wurde Leiter des größten Kriegsbekleidungsamtes der Armee nämlich in Spandau, wurde Oberst. Industriellen Dingen sehr aufgeschlossen modernisierte er das Amt, das tausende Leute, Handwerker der verschiedensten Art, beschäftigte. Die Ämter waren genau wie heute ein Tummelplatz für Spekulanten, Kriegsschieber und dergl. Nach dem 1. Weltkrieg kam eine Untersuchungskommission in die Bekleidungsämter, um angebliche Schiebereien, Durchstechereien zu untersuchen. Das Amt Spandau als das größte schnitt bei dieser Untersuchung als völlig unbelastet ab. Als Gustav aus dem Amt ausschied, ernannte man ihn noch zum Generalmajor; Herr von Siemens. Chef des Elektro-Konzerns, bot dem Onkel eine Position in seinem Werk an. Er hatte diesen begabten Industrie-Organisator als integeren Mann schätzen gelernt. Der Onkel lehnte ab, er war nach den aufregenden Kriegsjahren wohl einer anstrengenden Arbeit nicht mehr gewachsen.
Er starb in Carlshafen - 65 Jahre alt. Der Grabstein auf dem Friedhof in Karlshafen


  1. Aus dieser Zeit ist einiger Briefverkehr zwischen Gustav und seinen Eltern erhalten. In diesem Briefverkehr grüßt er auch seinen Schatz in Erfurt. Dies soll ein Mädchen aus der Nachbarschaft gewesen sein, dass ein Offizier nicht heiraten konnte. Die Bezahlung in der Armee war so schlecht, dass er auf die Mitgift einer reichen Frau angewiesen war. 

  2. Ada hat sich in Berlin in einen verheirateten Mann, den Maler Eugen Ludwig Mossgraber, verliebt und wurde von ihm schwanger. Dies hat zur damaligen Zeit, dem Offizierskodex nach, den Austritt von Gustav aus der Armee bedeutet. Damit die Schwangerschaft nicht bekannt wurde, wurde Ada nach Paris geschickt. Dort wurde Sie von ihrer Mutter besucht und mit Babyartikeln versorgt. Es hat wohl auch ein Angebot zur Rückkehr mit Regelung zur Versorgung des Enkelkindes gegeben. Die Antwort von Ada war eine weitere Schwangerschaft und das Zusammenziehen mit Ludwig Mossgraber. Weiter wird erzählt, dass Ada Ihre Eltern regelmäßig um Geld erpressed hat. Der Großvater soll über die geleisteten Summen Buch geführt haben und dies ihrem Erbe angerechnet haben. Tatsächlich taucht Ada dann auch nicht mehr auf dem Erbschein der Großeltern auf. Die Tochter wurde seit diesen Ereignissen von den Eltern ignoriert. (ergänzt nach einem Gespräch mit Gudula Weber geb. Becker am 3.4.2024) 

  3. Die Gerhardy stammen aus dem Eichsfeld, sind folglich alle katholisch. Gustav‘s Mutter war evangelisch und weil ihm nicht gefallen hat, dass seine Mutter immer alleine in die Kirche gehen musste, entschied er bei der Heirat mit seiner evangelischen Frau, dass gemeinsame Kinder evangelisch getauft werden. Dies hatte die Exkommunizierung von Gustav zur Folge. Diese wurde mit der Heirat seiner Tochter Hella mit dem aus Köln stammenden, katholischen Jo Sauer und der Zusage deren Kinder katholisch zu taufen wieder zurückgenommen. (Gespräch mit Gudula Weber, geb. Becker vom 03.04.2024)  

  4. Gustav litt unter Krampfadern, was ihm den Dienst zu Pferde unmöglich machte, dies war der Grund für den Wechsel an den Schreibtisch des Beschaffungsamtes, wie Gudula Weber geb. Becker am 03.04.2024 berichtet 

  5. Die Apotheke war in Berlin und nicht in Lübeck, direkt gegenüber der Charité