Die Geschichte der Lantzkes

Autor: Dieter Otto
Unsere Großmutter Martha Lantzke, am 21.November 1857 in Berlin in der Brauhausstraße 7 ( später umbenannt in Kaiser Wilhelm Straße, der heutigen Karl Liebknecht Straße ) geboren und in der Marienkirche, wie ich an einem 25.Dezember getauft und auch dort konfirmiert, ist uns Enkelkindern noch gut in Erinnerung.
Ich nannte sie "Oma Steglitz", weil sie aus Steglitz kam und weil ich sie dadurch besser von meiner anderen Großmutter, die mit uns im selben Hause am Rudolfplatz wohnte, unterscheiden konnte. Sie war die Tochter des Papierfabrikanten Johann Lantzke, der in Falkenberg/Mark, zwischen dem Schiffshebewerk Niederfinow und Bad Freienwalde gelegen, eine entsprechende Fabrik besaß, die noch heute inihrer stark maroden Substanz und nicht mehr produktionswirksam zu besichtigen und zu fotografieren ist.
Der Ortsteil in Falkenberg nennt sich auch heute noch Papiermühle, Ihre Vorfahren stammen aus Grabow bei Stettin bzw. aus Wellmitz, Kreis Guben.
Die Lantzkes, aber auch die mütterliche Linie der Vorfahren unserer Großmutter, die Krey's, haben eine interessante und bewegende Ahnengeschichte, so dass es sich schon lohnt, mal darauf etwas ausführlicher einzugehen.

Die Grabower Vorfahren entstammen eingewanderten Hugenotten1. Nach Angaben unserer Tante Frida soll unser Ururgroßvater Johann Krey ( übrigens Stabstrompeter und Leiter der Militär- und Stadtkapelle in Grabow ) nicht nur den französischen Namen seines Vaters, sondern damit offensichtlich auch den angestammten französischen Adelstitel DE LA CROIX abgelegt haben und sich fortan nur eben schlicht deutsch KREY genannt haben. Nach den mir vorliegenden neuesten Erkenntnissen muss sich dieser Vorgang aber schon viel früher abgespielt haben, denn danach hieß unser Urururgroßvater ( am 4. April 1766 geboren ) auch schon Friedrich Benjamin Krey (!).
Die Kreys stammen aus dem deutschen Friesenland, führen ihr Geschlecht aber tatsächlich auf das französische Hugenotten - Geschlecht de la Croix zurück, das im Rheinland beheimatet war. Soweit gibt es eine Übereinstimmung mit den Angaben von Tante Frida, wenn auch etwas zeitverschoben.
Interessanter jedoch ist die Ahnengeschichte der Lantzkes. Sie reicht bis weit in das 13. Jahrhundert zurück. Im Jahre 1202 wurde der sogenannte Schwertbrüderorden gegründet. Neben anderen Rittergeschlechtern gehörten auch die Geschlechter derer von Trubetzkoi und von L a n t z k o i dazu. Beide Geschlechter waren durch Heirat und Freundschaft stark miteinander verbunden, ihre männlichen Vertreter waren als tüchtige, strebsame und zuverlässige Granden am russischen und später auch am polnischen Hofe sehr gern gesehen. Sie wurden u.a. zu Fürsten und Baronen von Kurland, das neben Estland und Livland ( Litauen ) in langen Kämpfen von 1230 bis 1283 von dem Deutschen Orden erobert wurde, ernannt. Als nach der Blütezeit des Ordens unter Winrich von Kniprode der allmähliche Verfall desselben eintrat, wurde die Vereinigung von Litauen und Polen auch für die beiden Geschlechter Trubetzkoi und Lantzkoi verhängnisvoll. Nach dem Sieg der Polen über den Orden im Jahre 1410 in der Schlacht bei Tannenberg zerfiel derselbe recht schnell, und auch das Geschlecht der Lantzkoi zerstob in alle Richtungen. Einige von ihnen verblieben am russischen Hof. Und dabei hat es ein Nachfahre dieses Zweiges so um die 370 Jahre später zu besonderen "Ehren" gebracht. Der geliebte der russischen Zarin

Vorgenannter Ahne war nämlich einer der vielen Geliebten der alternden Zarin Katharina der Großen. Diese ehemalige deutsche Prinzessin Sophia von Anhalt - Zerbst, über ihren Gatten Zar Peter III nach dessen Ermordung selbst zur Zarin gekrönt, führte zeitlebens bis ins hohe Alter ein berühmt berüchtigt ausschweifendes Leben. Ungezählte Männer wurden in schnellem Wechsel als sogenannte "General - Adjutanten" ihre Favoriten. Aber zu den auserwählt wenigen, die von ihr wirklich und von ganzem Herzen geliebt und verehrt wurden, gehören neben dem bekannten Fürsten Potemkin der erst 22 Jahre alte, den zeitgenössischen Berichten zu Folge eher unbeholfen und gutmütig wirkende junge, erst gerade von der Kaiserin vom Leutnant der Palastwache zum Offizier beförderte Lanskoi. In einem mir vorliegenden Zeitungsbericht ist zu lesen, daß dieses Verhältnis "trotz des ungemein großen Altersunterschiedes jedoch besonders innig und ein wirklicher Bund der Herzen und Seelen gewesen sein soll. " Weiter heißt es in diesem Bericht: "Aber die Tage dieses späten Glücks waren gezählt. Lanskoi wurde von einer heimtückischen Krankheit befallen und starb. Wie eine Witwe soll die Zarin für lange Zeit Trauer getragen haben . " Somit ist zumindest die Frage geklärt, dass eben dieser junge Lanskoi nicht ein unmittelbarer Vorfahre unserer Familie sein kann, sondern wenn überhaupt, höchstens zu einer Nebenlinie gehört. Wo aber sind nun die anderen Nachfahren des ehemaligen Rittergeschlechtes derer von Lantzkoi verblieben ? Einige vertrieb es bis nach Frankreich, der kleinere Teil blieb in Estland, ein großer Teil stellte sich jedoch in polnische Dienste. Dort stiegen dann verschiedene Lanski's auch zu höchsten Ehren auf. Sie waren u.a. Bischöfe in Gnesen, Krakow und Warschau. In der Regel führten sie die Vornamen Albert, Johann und Theodor. Die einzelnen Generationen hatten fast durchweg drei und mehr lebende Brüder. Nach der Eingliederung Polens in das große Russische Reich flüchteten verschiedene Familien nach Deutschland. Sie fanden eine neue Heimat in der Gegend von Frankfurt/Oder, Guben, Grossen oder Kottbus. Unsere direkten Vorfahren ließen sich zunächst inOssendorf, im Landkreis Guben nieder. Unser Ururgroßvater Gottfried Lantzke, am 9. September 1794 in Ossendorf geboren, zog dann nach Wellmitz, in die Nähe des heutigen Eisenhüttenstadt. Dort lebte er als Böttchermeister, heiratete im Jahre 1820 und verstarb bereits neun Jahre später. Mit 34 Jahren verunglückte er auf dem Eise. In den amtlichen Dokumenten ist darüber zu lesen: "Ein hitziges Fieber führte wahrscheinlich zum Tode. Er war 28 Wochen krank, davon 10 Wochen blind." Er hinterließ seiner jungen Witwe fünf Kinder, darunter unseren Urgroßvater, seinen zweiten Sohn Johann Gotlieb, der beim Tode seines Vaters noch keine sieben Jahre alt war. Dieser heiratete im Jahre 1849 eben jene Hulda K r e y aus Grabow bei Stettin, die eine einjährige, offensichtlich uneheliche Tochter namens Emilie mit in die Ehe brachte. Der Bruder Albert Krey besaß eine Bonbon - und Schokoladenfabrik.

Die Papierfabrik in Falkenberg

Unser Urgroßvater Johann Gottlieb sollte auch bald eine Fabrik besitzen, und das kam so: Er hatte sich mit seiner jungen Frau in Berlin, in der Nähe des Alexanderplatzes, wie wir bereits wissen in der Brauhausstraße niedergelassen. Dort betrieb er ein ( nach einem im Besitz von Gisela befindlichen Foto sehr ärmliches ) Papiergeschäft. Doch er war sehr tüchtig und fleißig und hatte alsbald mehr als gute Ersparnisse gemacht, aus denen er eine Hypothek auf eben' jene anfangs erwähnte Papierfabrik in Falkenberg erworben hatte. Da nun der' Eigentümer der Fabrik sehr bald in Konkurs ging, wurde dieselbe im Ersteigerungsfalle für die Hypothek erworben und unserem Urgroßvater als Eigentum übertragen. Aus der Tatsache, dass alle Lantzkeschen Kinder in der Brauhausstraße geboren, in der gegenüberliegenden Marienkirche getauft, konfirmiert und später auch getraut wurden und in der im gleichen Gebiet liegenden damaligen Poststraße zur Schule gingen, ist zu entnehmen, daß die Lantzkes nur zeitweilig in Falkenberg Quartier bezogen, ihr Hauptwohnsitz aber immer in Berlin blieb. Johann Gottlieb Lantzke hatte neben der erwähnten Adoptivtochter Emilie noch mindestens acht (!) eigene Kinder mit seiner Frau, vier Söhne und vier Töchter.

Großmutter Martha

Unsere Großmutter Martha wurde 1857 als siebentes Kind geboren. Nur neun Jahre später, ein bis zwei Jahre nach der Geburt des achten Kindes starb Urgroßvater Lantzke auch gerade erst 44 - jährig, ähnlich wie sein Vater an Lungenentzündung. In diesem Zusammenhang ist es schon interessant, bei der Verfolgung einzelner Stammeslinien immer wieder gewisse Gesetzmäßigkeiten zu entdecken. Während die Damen alle ein sehr ehrwürdiges Alter erreichten (unsere Großmutter starb mit 85 Jahren, ihre Mutter mit 80 Jahren und deren Mutter wiederum wurde sogar 87 Jahre alt ), mussten ihre Männer hingegen viel zu früh das Zeitliche segnen. Unser Urgroßvater starb mit 44 Jahren, wie wir gerade gelesen haben, dessen Vater sogar schon mit 34 Jahren ! Durch die musikalische Erbanlage seitens ihres Großvaters, des Leiters der Stadtkapelle von Grabow, soll auch unsere Großmutter sehr talentiert gewesen sein und als junger Mensch hervorragend Klavier gespielt haben. Wenn sie nicht geheiratet hätte, so wurde immer gesagt, wäre sie bestimmt eine exzellente Pianistin geworden. Mit 22 Jahren hat sie, wie wir bereits wissen, den Trigonometer Friedrich Otto geheiratet, in der Marienkirche, in der sie wie auch alle ihre Geschwister getauft und konfirmiert wurde. Ich habe leider in keinen der mir vorliegenden Unterlagen einen Hinweis darüber entdecken können, auf welche Art und Weise sich unsere Großeltern kennengelernt haben - interessiert hatte es mich schon. Natürlich besonders im Vergleich zu der ersten Begegnung ihrer Schwester mit ihrem Mann.
Überhaupt ihre Geschwister! - Seitdem ich von den meisten ihrer Brüder und ihrer Schwester ein Stück ihrer bewegenden Lebensgeschichte kenne, finde ich weit mehr Gefallen, mich mit ihrem Lebensweg zu beschäftigen, als mit dem unserer Großmutter. Das mag aber auch daran liegen, dass einerseits das Leben von Martha Otto recht unspektakulär verlief, andererseits aber die Schicksale ihrer Geschwister mir bis vor kurzem völlig unbekannt waren. Was wissen wir nun heute von ihren vielen Geschwistern ?
Von ihrer ältesten Halbschwester ist mir durch eine kurze Bemerkung in den Aufzeichnungen des Willy Lantzke nur soviel bekannt, dass sie als adoptiertes" Stiefkind bei ihren Geschwistern und den nachfolgenden Anverwandten wohl keinen beneidenswerten Stand hatte. Besonders ihre Kinder wurden später von den übrigen Mitgliedern der weiten Familie weitestgehend gemieden.

Bruder Carl und das Ende der Fabrik

Der älteste Bruder Carl wurde im Jahre 1850 geboren. Er war somit also mal gerade erst 16 Jahre alt, als der Vater starb. Das heißt zu jung, um schon die Fabrik des Vaters zu übernehmen. Da wir aus vielen Zeugnissen wissen, dass er aber später dieselbe geleitet hat, muss also in der Zwischenzeit nach dem Tode unseres Urgroßvaters und der Übernahme der Fabrik durch den ältesten Sohn, wann immer das gewesen sein mag, diese durch unsere Urgroßmutter allein oder einen eingesetzten Verwalter geleitet worden sein. Den Berichten des Sohnes Willy Lantzke nach, hat Carl Lantzke dann aber irgendwann, spätestens so um das Jahr 1885 die Leitung der Fabrik oder die Fabrik selbst aufgegeben und ist in das Bankgeschäft eingestiegen. Über das weitere Schicksal der Papierfabrik, zumindest was den Anteil der Lantzkes daran bindet, konnte ich bis jetzt nichts Wissenswertes in Erfahrung bringen. Ich habe mir vorgenommen, mal nach Falkenberg zu fahren, um im dortigen Heimatmuseum ( falls vorhanden ) nachzuforschen. Carl Lantzke lebte damals mit seinen insgesamt fünf Kindern in der Großen Präsidentenstraße Nr. 3, in der Nähe des Bahnhofs Börse, heute Hackescher Markt, zog dann im Jahre 1892 in die Schönhauser Allee 134 a. Eine Straße damals noch ohne Kanalisation und weit vor den Toren der Stadt. Die Familie zog in eine pompöse Villa, mit Stubenmädchen und Köchin. In den Kindheitserinnerungen des Willy Lantzke ist von Weihnachtsspielen bei "Puhlmanns" die Rede ( in dem heute abgerissenen Theater Puhlmann hat noch meine Mutter als Souffleuse gearbeitet und meine Schwester Karin ist als Kind dort als Kleindarsteller auf getreten ), er erinnert sich noch an die Pferdebahn, oder die grüne Niederschönhausener Bahn, die bis zum Hohen Steinweg am alten Rathaus fuhr und daran, daß seine Eltern im Jahre 1900 zur Weltausstellung nach Paris gefahren sind. Vier Jahre später war dem Bankier Carl Lantzke die Gegend wohl nicht mehr fein genug, er verkaufte die Villa und zog in den vornehmeren Westen, wo er sich das Haus Savignyplatz Nr. 6 kaufte. Carl Lantzke starb im Jahre 1926, - da war Gisela 8 jähre alt (!) Ich vermerke diesen Umstand zunächst ganz kommentarlos, komme bestimmt aber noch einmal darauf zurück.

Schwester Lina

- ein "Kleinod echter Frauenseele

Als zweites Kind wurde Lina Lantzke geboren, die älteste Schwester unserer Großmutter, über die es viel zu berichten gibt und zu der unsere Großmutter offensichtlich lange Zeit, wenn nicht sogar bis zu ihrem Tode im Jahre 1925 ein gutes Verhältnis hatte. Ich schließe das aus dem Vorhandensein eines Fotos, das unsere Großmutter mit ihren Kindern Johanna, der späteren Mutter von Hilde Siebrecht und Tante Frida eben mit ihrer Schwester Lina Baeskow und deren Tochter Margarethe, die später den Sohn ihres gemeinsamen Bruders Carl heiratete, zeigt. Es gibt sonst, zumindest in unserem und im Familienbesitz der Nachkommen von Bruder Carl keine ähnlichen Bilder von Großmutter zusammen etwa mit einem ihrer drei Brüder. Das Schicksal der Lina Lantzke wurde entscheidend im Jahre 1872 geprägt. Damals war sie 21 Jahre alt und weilte mit ihrem Bruder Carl, der inzwischen bereits die geschäftlichen Belange der väterlichen Papierfabrik vertrat, in Falkenberg. Im August dieses besagten Jahres wurde die Papierfabrik ein Raub der Flammen und sollte wieder aufgebaut werden. Carl Lantzke hatte zusammen mit seiner jungen Schwester Lina in einigen Räumen des der Fabrik gegenüberliegenden Chausseehauses Quartier bezogen. Vor der Ausschreibung des Neubaus sollte zunächst von einem Sachverständigen ( wahrscheinlich auch wegen der Versicherungskosten ) ein entsprechendes Gutachten über den entstandenen Schaden gefertigt werden. Die Wahl des Gutachters fiel auf den damals 28 - jährigen Maurer- und Zimmermeister Emil Baeskow aus dem benachbarten Bad Freienwalde. Durch entsprechende Protektion seines Vaters, der zu dieser Zeit Pächter des besagten Chausseehauses war, wurde jenem Emil Baeskow auch der Auftrag zum Wiederaufbau der Falkenberger Papierfabrik erteilt. Er fertigte die notwendigen Zeichnungen an und nach dem Abschluss der Aufräumungsarbeiten wurde sofort mit der Rekonstruktion des Gebäudes begonnen, so dass bereits im Dezember 1872 das Gebäude unter "Dach und Fach" kam, wie in den späteren Aufzeichnungen des Emil Baeskow zu lesen ist. Am 18. Dezember 1872 kehrten Carl Lantzke und seine Schwester Lina, die dem Baumeister Baeskow durch die fast täglichen Besuche auf der Baustelle inzwischen recht vertraut geworden war, wieder zurück in die Brauhausstraße nach Berlin. Beim Abschied versprach sie ihm, dass er sie zum bevorstehenden Weihnachtsfest in Berlin besuchen dürfte - was dann auch geschah. Lassen wir nunmehr Emil Baeskow selbst sprechen. Er schreibt: "Hier lag nun mein Lebensglück verankert, für das ich meinem Gott und meinen lieben Eltern, die mich auf dieses Kleinod von echter Frauenseele aufmerksam gemacht haben, Dank und Preis sage. Zum Osterfest 1Q73 wurde meine mir lieb gewordene und stets in meiner Wertschätzung steigende Lina meine verlobte Braut und am 19. Oktober des gleichen Jahres feierten wir in dem von mir erbauten Herrschaftshause neben dem Fabrikgebäude unsere Hochzeit." Lina Lantzke, jetzt Lina Baeskow zog zu ihrem Mann nach Bad Freienwalde. Dorthin holte sie dann auch später ihre Mutter, die wie ihr Mann, allerdings damals bereits 80 jährig, auf dem Eis tödlich verunglückt sein soll. Das war im Jahre 1908. Urgroßmutters Leichnam wurde dann aber nach Berlin überführt und auf dem Marienkirchhof Prenzlauer Tor bestattet. Lina Baeskow starb, wie wir bereits wissen, ein Jahr vor ihrem Bruder Carl im Jahre 1925, also mit 74 Jahren. Ihr Mann, Emil Baeskow starb im Alter von 89 Jahren im Jahre 1933 ( da war Gisela bereits 15 Jahre alt ! ). Er war im Laufe seines langen Lebens zu großem Reichtum und noch größeren Ehren gekommen. Er war königlicher Hofmaurer- und Zimmermeister, Ehrenbürger der Stadt Freienwalde, Angehöriger der Stadverordnetenversammlung und Mitglied des Kreistages, gewählter Direktor der Kreditbank, ausgezeichnet mit dem Kronenorden IV. Klasse und nicht zu vergessen, er war Mitglied des Gemeindekirchenrates (!). Und vor allen Dingen muss eines erwähnt werden, wenn es auch nicht hundertprozentig erwiesen ist - aber es passt so schon in die Familienchronik der Lantzkes.

Die große "Wiedervereinigung"

Wir erinnern uns an den Anfang der Geschichte des Geschlechtes der Lantzkes. Da war die Rede von einer durch Heirat und Freundschaft stark geprägten Verbindung mit dem Rittergeschlecht derer von Trubetzkoi (!). Na, ist der Groschen gefallen, wie der Berliner zu sagen pflegt? Natürlich -, die Baeskow's führen ihre Herkunft auf das alte Rittergeschlecht derer von Trubetzkoi zurück, die als Beeskoi's nach Polen kamen, von da als Beeskows nach dem Wendenland bis allmählich nach Storkow -Beeskow und von hier mit einem Zweige als Baeskow's schließlich in Schwedt an der Oder landeten, wo auch Emil Baeskow geboren ist. Ist das nicht eine herrliche Familiengeschichte, wenn sich nach fast 500 Jahren der Trennung diese beiden großen Geschlechter wieder vereinigen? Ich finde diese Idee so berauschend schön, dass ich mir sage, es muss einfach so sein. Und gibt es einen besseren Beweis dafür, dass an der Sache etwas dran ist, als die Tatsache, dass bereits zwei weitere Generationen dem Vorbild ihrer Ahnen gefolgt sind und durch ihre Heirat eine bleibende Verbindung zwischen den beiden Geschlechtern schmiedeten. Da sind zunächst in der nachfolgenden Generation Dr. Hellmut Lantzke, der Sohn von Carl Lantzke, der seine Cousine Margarete Baeskow, die Tochter dessen Schwester Lina Baeskow im Jahre 1920 heiratete, sowie deren Bruder Alfred Baeskow, der ebenfalls seine Cousine Hilde Lantzke heiratete, die wiederum die Schwester von Dr. Hellmut Lantzke ist. Und alle diese netten Menschen sind oder besser waren direkte Cousins bzw. Cousinen von Georg und Kurt Otto. Dieses eben nur mal so nebenbei, weil es mir beim Lesen der mir vorliegenden Aufzeichnungen, mehr noch beim Schreiben dieser Zeilen immer wieder unfassbar erscheint, dass alle diese nach meiner Meinung doch recht spektakulären Hochzeiten der Otto'schen Familie völlig verborgen geblieben sein sollen. War denn niemand von ihnen auf je einer dieser Feierlichkeiten? Nicht einmal die Tante zur Hochzeit ihrer Nichten und Neffen? Weder Gisela, die ja immerhin schon gelebt hat, als dies geschah, noch ich habe durch Erzählungen meiner Eltern je etwas davon gehört. Selbst Georg Otto, der beim königlichen Hofmaurer- und Zimmermeister Emil Baeskow zeitweise in die Lehre ging, hat offensichtlich zu späterer Zeit diese Verbindung auch nicht weiter aufrecht erhalten, eben auch nicht zu dessen Kindern, zu denen auch ein Drogist namens Kurt Baeskow gehörte, der in Berlin in der Schwedter Straße 34 eine Drogerie eröffnete. Später zog dieser nach Schöneweide in die Schnellerstraße. Und nun passierte folgendes, dass eines Tages ein Kunde sich mit ihm näher anfreundete und dieser Kunde war ein gewisser Paul Scheel, der Onkel von Elfriede Otto! So interessant schließen sich plötzlich und unerwartet Familienreihen über Generationen. Und ohne dass Georg Otto irgendeinen gewollten Kontakt zu seinem Cousin pflegte, war dieser aber immer über alle wichtigen und unwichtigen Angelegenheiten der Familie informiert. Und wen wundert es da, dass zur Beerdigung von Georg Otto plötzlich ein bis dahin völlig unbekanntes kleines Männlein in Cut und Zylinder auftauchte und behauptete, der Cousin von ihm zu sein. Der Sohn von diesem Kurt Baeskow, ein gewisser Erwin Baeskow hatte ein Fuhrgeschäft in Hohenschönhausen, besaß dort ein schönes altes Chausseehaus, das später im Zuge der Neubesiedlung einem hässlichen Plattenbau weichen musste, nannte einen großen Baum auf dem Hofe sein eigen, in dem nachts die Hühner schliefen und hatte den Stall voller Meerschweinchen, die er für Versuchsabteilungen der Charite züchtete. Seine Tochter war dann später eine Zeitlang eine Kollegin von Helga Otto in der Apotheke! Doch zurück zu dem "Vereinigungsprozess" der Lantzkeschen und Baeskowschen Generationen. Denn auch die bereits dritte Generation wollte offensichtlich dem Vorbild ihrer Väter in nichts nachstehen. Die Enkeltochter von Emil Baeskow, die Tochter seiner Tochter Eise, eine gewisse Leni Winter, heiratete den Enkelsohn von Carl Lantzke, einen gewissen Willi Lantzke, und das ist nun schon unsere Generation. Aber wir sind inzwischen sehr weiträumig vom eigentlichen Thema abgekommen. Wir waren zuletzt bei der Aufzählung der weiteren Geschwister unserer Großmutter. Nun, als drittes Kind der Eheleute Johann Gottlieb und Hulda Lantzke wurde 1852 oder 1853 die Tochter Olga geboren, die aber bereits im Kindesalter wieder gestorben sein soll, ebenso erging es den Lantzkes mit ihrem vierten Kind, dem zweiten Sohn Richard, der entweder 1853 oder 1854 geboren sein muss. Eines der beiden Kinder muss aber zumindest noch mit 10 oder 12 Jahren gelebt haben, weil auf einem Foto, das im Besitz der Lisa Balsam ist, Urgroßmutter Lantzke mit acht Kindern zu sehen ist, und das kann ja erst nach der Geburt des letzten Kindes im Jahre 1864 gewesen sein.

Warum ging Albert Lantzke nach Amerika?

Im Jahre 1854 oder 1855 wurde als fünftes Kind der dritte Sohn Albert geboren. Von ihm wissen wir nur, dass er ausgerechnet im Jahre 1880, dem Hochzeitsjahr unserer Großeltern, in die Vereinigten Staaten von Nordamerika auswanderte. Trotz intensiver Bemühungen meinerseits ist es mir nicht gelungen herauszufinden, welches die Beweggründe dafür waren. Ob es Streitigkeiten mit seinem älteren Bruder gegeben hat, der durch seine privilegierte Stellung als Fabrikbesitzer dazu durchaus Anlass gegeben haben könnte? - Dazu die exponierte Stellung seines Schwagers in Bad Freienwalde. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass er es seinem Bruder und Schwager mal so richtig zeigen wollte, wie man in der Neuen Welt zu Ruhm und Ansehen gelangt. Nun, Albert Lantzke heiratete in den Vereinigten Staaten eine gewisse Minna Hagen und hatte eine Tochter Francis mit Namen. Dieses Mädchen war offensichtlich die einzige Cousine ( von immerhin 16 oder 18 Cousins und Cousinen! ), zu der zum Beispiel Kurt Otto in Spandau engere Verbindungen pflegte. Denn im Jahre 1935 schickte er seine damals 17 Jahre alte Tochter Gisela in die Staaten, um Cousine Francis zu besuchen, Gisela schätzt, daß Tante Francis damals so um die 50 Jahre alt war. Verheiratet war sie mit einem Amerikaner namens Earnest Cobb. Diese beiden hatten wiederum eine Tochter, Elise mit Namen, im Jahre 1914 kam sie zur Welt. Diese heiratete einen gewissen George Balsam - und deren Tochter Tina ( 1955 geboren ) kreuzte eines Tages ganz unvermittelt bei uns in Berlin auf, um uns zu besuchen. Sie war damals am Opernhaus in Hannover als Korrepetitor angestellt. Später lernte ich dann auch ihre Mutter Elise Balsam kennen, die uns zusammen mit ihrer Tochter Tina noch in unserer alten Wohnung am Rudolfplatz besuchte, kurz nach Claudias Geburt,
Lange Zeit waren wir der Meinung, daß Hans - Jürgen Otto und "Schwipp" -Cousine Elise die einzigen nahen und fernen Verwandten jenseits des Kontinents sind, aber seit kurzem wissen wir, daß noch ein Enkelsohn von Großmutters ältestem Bruder Carl ebenfalls in den Vereinigten Staaten lebt.
Großmutters Neffe Gerhard, der jüngste Sohn von Carl Lantzke, ist 1950 mit seiner Frau Grete ebenfalls in die USA ausgewandert. Von ihm wird erzählt, daß er in seiner Jugend ein toller Frauenheld gewesen sei. Vater Carl hatte eines Tages die Faxen dicke ( wie der Berliner sagt ) und verordnete seinem Sohn die junge Dame zu ehelichen, mit der er gerade liiert war. Dieser folgte dem ultimativen Ratschluß seines gestrengen Herrn Papa und heiratete eben jene Grete Heinemann,
Wie schockiert aber war der Rest der großen Familie, als man zur Kenntnis nehmen mußte, das Grete Heinemann Jüdin war!
Die Familie Lantzke hat sie in den folgenden Jahren peinlichst gemieden und nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde auch von höherer Stelle dem Ehemann Gerhard Lantzke angetragen, sich von seiner Frau zu trennen. Es gereicht dem ehemaligen Hallodri zur Ehre, daß er treu zu seiner ihm anvertrauten Gattin gehalten hat. Eine Kriegsverletzung aus dem 1. Weltkrieg, die daraufhin erfolgte Auszeichnung mit dem "Eisernen Kreuz" und vor allen Dingen eine alte Freundschaft mit einem NSDAP - Gauleiter, rettete seine Frau vor der Verschleppung in ein Konzentrationslager. Sie brauchte nicht einmal den Judenstern zu tragen.
Die ablehnende Haltung der Lantzkeschen Familie ihr gegenüber hat die Grete aber offensichtlich nie verwunden. Selbst nach ihrer Ausreise in die USA hat sie es abgelehnt, sich mit ihrem Neffen Hellmut Hahn zu treffen, als dieser mal vor Jahren seinen Onkel in den Staaten besuchte. Ihr Sohn Ralph lebt aber noch als Pensionär im Staate Tennessee und hat seinen Sommersitz auf Florida. Sein Vatername war ihm aber offensichtlich für amerikanische Verhältnisse zu kompliziert und so änderte er ihn schlicht von Lantzke in Lane,
Unsere dritte und direktere Linie aber führt, wie bereits erwähnt, über den Enkelsohn unserer Großmutter, meinen Cousin Hans - Jürgen in die USA.
Jürgen hatte als junger Soldat unter dem "Wüstenfuchs" Generalfeldmarschall Rommel im Afrika - Corps gegen die Engländer gekämpft und war dann in der Silvesternacht von 1941 zu 42 in Bardia, in der Nähe von El Alamein, wo Rommels Vormarsch schließlich im Juli 1942 zum Erliegen kam, in Gefangenschaft geraten. Über Südafrika, von dort per Schiff über den Indischen Ozean zunächst nach Australien verfrachtet, landete er aber schließlich in den USA. Da die Amerikaner, inzwischen auch Kriegsgegner der Deutschen, aber wegen fehlender direkter Feindberührung noch keine eigenen Gefangenen gemacht hatten, kam man mit den Engländern überein, ein Teil der deutschen Kriegsgefangenen in die USA zu verlagern. Und so kam Hans - Jürgen über Californien zunächst nach Alva in Oklahoma in ein Camp.
Nach Kriegsende ließ er sich zur Zuckerrohrernte nach San Martinsville in Louisiana verpflichten, stand dann aber sehr bald wieder im medizinischen Dienst in Richmond / Virginia. In über 4 Jahren Gefangenschaft hatte er über San Francisko / Californien, New Mexico, Oklahoma, Arkansas, Louisiana und Virginia die gesamten USA von West nach Ost <span class=SpellE>durchquehrt und war schließlich im März 1946 in New York gelandet. Von hier durfte er einen Monat später über den "großen Teich" wieder nach Deutschland zurück, wo er dann auch bald entlassen wurde. In seinen Memoiren "Remembered and <span class=SpellE>Retold" schreibt er, daß er damals" nichts sehnlicher wünschte, so bald als möglich, in das Land so voller vielseitiger Möglichkeiten zurückzukehren!"
Nach seiner Eheschließung mit Irmgard Oberst, die all die langen Jahre des Krieges und der Gefangenschaft auf ihn gewartet hatte und der Geburt seines Sohnes Rainer im Januar 1949, hat er sich dann endlich im Oktober 1950 seinen großen Traum verwirklichen können.
Erst jetzt im Jahre 1994, quasi über 50 Jahre danach, habe ich erfahren, daß Hellmut Hahn, der Enkelsohn von Großmutters Bruder Carl Lantzke, genauso wie Cousin Hans - Jürgen als junger Leutnant im Afrikacorps unter Rommel gegen die Engländer kämpfte und bei Tunis in Gefangenschaft geriet. Auch er wurde, wie Jürgen, in die USA verlagert und dort zeitweilig in der Ernte eingesetzt. Nach seiner Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft ließ er sich in Westdeutschland nieder, denn er wollte Berlin, seine Heimatstadt in der Erinnerung behalten, wie er sie vor der Zerstörung verlassen hatte.
Nun aber wieder zurück zu den Geschwistern meiner Großmutter, den Kindern der Familie des Johann Gottlieb Lantzke.
Als sechstes Kind meiner Urgroßeltern wurde Tochter Hedwig geboren. Das <span class=SpellE>muß im Jahre 1855 oder 56 gewesen sein. Von ihr ist offensichtlich überhaupt nichts bekannt.
Dann folgte, wie wir bereits wissen, im Jahre 1857 als siebentes Kind unsere Großmutter.
Und erst sieben Jahre später, im Jahre 1864, kam Richard das "Nesthäkchen", wie ihn Willy Lantzke in seinen Aufzeichnungen liebevoll bezeichnete, zur Welt

Das Geheimnis um Onkel Richard

Mit "Onkel Richi", wie ihn alle nannten, die ihn liebten und verehrten, werden wir uns wohl oder übel länger beschäftigen müssen. Er dürfte in meinen Augen die Zentralfigur des offensichtlichen schweren Konfliktes sein, den es für meine Begriffe zwischen unserer Großmutter und ihren Geschwistern de facto gegeben hat - auch wenn die heute noch Lebenden entweder davon nie nichts gehört haben wollen oder sich nicht mehr daran erinnern können.
Mir jedenfalls ist es noch recht eindringlich im Bewußtsein, daß in Gegenwart unserer Großmutter nie von ihren Brüdern gesprochen wurde, Es lag immer wie ein Schleier des Geheimnisvollen über dieser ganzen Angelegenheit - und Begriffe wie Börsenkrach, Verschuldung oder Unterschlagungen wurden im Zusammenhang damit genannt, wie gesagt, wenn überhaupt darüber gesprochen wurde oder gesprochen werden durfte.
Ich als Kind, so kann ich mich heute noch erinnern, habe dann immer lange Ohren bekommen, wenn ich auch nie verstanden habe, worum es eigentlich ging.
Auch alle derzeit noch lebenden Zeitzeugen können mir in dieser Hinsicht nicht helfen. Hellmut Hahn, der Enkel von Carl Lantzke, kann sich noch an fortwährende Erbstreitigkeiten während seiner Kindheit erinnern. Da ging es immer um ein Haus oder Grundstück in Pankow. Handelte es sich dabei um das Mietshaus, das auf dem Grundstück der Lantzke'schen Villa gebaut worden ist? Hellmut Hahn weiß nur noch, daß seine Eltern immer völlig echauffiert von den Versammlungen der zerstrittenen Erbengemeinschaft nach Hause kamen, einzig und allein von dem herrlichen Essen in einem Nobelhotel am Bahnhof Zoo schwärmend.
Es muß doch merkwürdig stimmen, wenn ich heute verwundernd feststellen muß, daß noch eine Menge Fotos von unseren Großeltern den Krieg überdauert haben - aber es ist keines darunter, das Großmutter Otto mit ihren Geschwistern zeigt! Auch Gisela hat offensichtlich kein derartiges Foto - auch keines von "Onkel Richi".
Alles was ich über Richard Lantzke weiß, ist mir von Frau Ellen Diedrichs, der Kollegin meiner Frau übermittelt worden. Als Trauzeuge ihrer Eltern hat sie auch noch heute eine gute persönliche Erinnerung an ihn.
Ein paar einprägsame Details kann man aber auch den Aufzeichnungen seines Neffen Willy Lantzke entnehmen. Wollen wir mal darin blättern. Willy Lantzke schreibt: "Unser Onkel Richi war sicherlich die aufgeschlossenste Persönlichkeit der ganzen Verwandtschaft, Sein Grundsatz war stets weniger scheinen als sein (Moltke), Darum wurde er auch von der Mehrzahl der Verwandten stets unterschätzt hinsichtlich seiner geistigen Fähigkeiten."
Er war einer der besten Onkels, die es je gab. Im Schenken über alle Maßen großzügig, Mit 6 Jahren schenkte er mir eine Harmonika, Gerhard bekam einen richtigen großen Hafen, Hellmut erhielt von ihm einen alten Leierkasten und den Zoologischen Garten. Hilde und Lina erhielten große Verkaufsläden, Außerdem beschenkte er im rechten Maße auch die Otto' sehen Kinder und kümmerte sich als fast einziger noch um die sonst von den anderen gemiedenen Kinder von Tante Emilie (Das war die uneheliche Tochter von Hulda Lantzke, wie wir wissen).
Auch die erwachsenen Neffen hatten viel von ihm, Erich und Willi Baeskow, Kurt und Georg Otto."
Dem Adreßbuch unseres Großvaters aus der Zeit vor dem 1. Weltkrieg ist zu entnehmen, daß es damals also noch Kontakte zu Richard Lantzke gegeben haben muß. Großmutters jüngster Bruder war zu dieser Zeit Direktor der Diskontobank und wohnte in der Prinzenstraße 76.
Nach Angaben von Frau Diedrich kam er nach dem Kriege in Zusammenhang mit ehemals gezeichneten Kriegsanleihen in große finanzielle Schwierigkeiten, verlor seine Position als Direktor und mußte seine schöne Wohnung in der Prinzenstraße aufgeben.
Eine Bekannte in der Alten Schönhauser Straße nahm ihn bei sich auf. Sein Schwager Emil Baeskow übernahm seine Schulden, bei der Hochzeit von Erwin Baeskow im Jahre 1934 war er Trauzeuge, wie wir bereits hörten. Danach fühlte er sich mit dieser Familie eng verbunden und hat die Eltern von Frau Diedrich (in dem Chausseehaus mit dem Hühnerbaum !) oft besucht.
Später ging er in ein Altenheim für ehemalige Kaufleute in Berlin - Weißensee.
Auch die Familie seines Neffen Dr. Hellmut Lantzke besuchte er oft. Er war dort regelmäßig sonntags zum Mittagsessen eingeladen, und nachdem die Lantzkes Anfang der dreißiger Jahre Berlin verließen und nach Thüringen zogen, hat er auch dort des öfteren zu Besuch geweilt.
Auch in der Familie seiner Nichte Lina Lantzke (mit Hans Hahn verheiratet) war Onkel Richard ein gern gesehener Gast, als diese noch in Steglitz wohnten. Die Kinder des Hauses Hahn nannten ihn Onkel "Trulala", weil er immer gerne sang, aber oftmals den Text zu den gesungenen Liedern vergaß und dann eben nur ein "la - la - la'' von sich gab. Carl Lantzke's Enkel Helmut Hahn erzählte mir, daß Onkel Richard den Kindern auch immer gern die herrlichsten Geschichten erzählte, bekannte aber auch selber erdichtete.
Nur die Otto's hat er offensichtlich nie besucht, denn ich habe ihn nie zu Gesicht bekommen, geschweige denn jemals etwas über ihn oder von ihm gehört, - und Gisela nicht und Hilde nicht!
Selbst als unsere Großmutter im März 1943 starb, war er nicht auf der Beerdigung seiner Schwester. Wer weiß ob die Nachricht von ihrem Tode überhaupt bis in das nahe Weißensee gedrungen ist. Immerhin war Großmutter die letzte Lebende seiner Geschwister. Was mag da vorgefallen sein, daß sich meine "Oma Steglitz", die ich immer nur als liebe, gütige und offenherzige Großmutter in Erinnerung habe, gegenüber ihrem letzten kleinen Bruder so verschlossen hat, daß selbst über den Tod hinaus eine Versöhnung nicht möglich war.
Nur ein oder zwei Jahre später soll der liebe "Onkel Richi" gestorben sein.
Es ist schon als tragisch anzusehen, daß von dem langen ausführlichen Bericht des Willy Lantzke ausgerechnet die Seiten, auf denen etwas zu den letzten Lebenstagen und den Tod des Richard Lantzkes gestanden haben muß, verloren gegangen sind.
So hat der einzige, der unsere Neugier hätte eventuell noch befriedigen können, das große Geheimnis um "Onkel Richi" mit ins Grab genommen.
Es sollte wohl so sein!


  1. Die Geschichte mit den Hugenotten und dem Adelstitel ist vermutlich einfach falsch, es gibt kein Dokument was darauf hindeuten würde. Es ist vielleicht zu viel Phantasie bei Tante Frida gewesen. - Anmerkung von Daniel