Chronik der Familie Gerhardy

Zusammengestellt von Leo Gerhardy1, dem Sohn des Leopold Gerhardy und der Clementine Mertens

- 1973 -

Die Gerhardys sind ein altes Bürgergeschlecht, Sie stammen aus dem Eichsfeld, dem nordwestlichen Ausläufer Thüringens, wo Unstrut, Werra und Leine fließen, Hauptstadt des oberen Eichsfeld ist Heiligenstadt, des unteren Eichsfeld Duderstadt. Das Land ist arm und karg, gehörte ursprünglich dem Grafen von Gleichen, der es 1292 dem Erzbischof von Mainz verkaufte. 1802 kam es in preußischen Besitz, 1807 unter die Herrschaft des Königs Jérôme von Westfalen (1784 - 1860), des Königs Lustik (da sich seine deutschen Sprachkenntnisse in den Sätzen „Morgen wieder lustig!“ und „lustik, lustik demain encore lustik“ erschöpft haben sollen), eines Bruders Napoleons. 1813 von Preußen zurückerobert wird es durch den Wiener Kongress Hannover zugeschlagen, kommt damit unter englische Herrschaft. 1783 mußte ein Verwandter des Oekonomen Gerhardy, Adam Gerhardy, ein Schemagenealogicum, also eine Ahnentafel dem Mainzer Erzbischof vorlegen. Dort wird Gerhardy als „Erzstl. Mainz-Mannlehen-Vasall zu Gieboldehausen im Eichsfeld" bezeichnet. Die Ahnentafel geht zurück bis um 1500. Das Original soll - soviel ich von meiner Tante Hanny Gerhardy weiß - in den Aktenschränken des Mainzer Bischofs aufbewahrt sein.
Den Namen „Gerhardy“ trifft man im Eichsfeld und im Harz oft, hier im Westen ist er selten. Ursprünglich hat die Familie wohl „Gerhardes" geheißen, einem Trend der damaligen Zeit zufolge änderte man den Namen in „Gerhardy" um. Über Einzelheiten unserer Vorfahren weiß ich erst aus der Zeit ab 1750. Was vorher war, darüber gibt das Schemagenealogicum keine Auskunft. Die erste Konfrontation mit der Vergangenheit - meinen Geschwistern und mir noch gut in Erinnerung — war eine entzückende zylindrische, silberne Kaffeekanne im Empirestil. Sie wurde in der Familie die Napoleonskanne genannt, und 1944/45, als meine Familie von Hückelhoven in die Evakuierung mußte, wurde die Kanne gestohlen.
Der Hofrat Gerhardy wird in den Urkunden gelegentlich als Departement-Domainen-Einnehmer bezeichnet. Die Mutter der Wilhelmine Hoffmann war eine geborene Keysenberg vermutlich verwandt mit dem Präsidenten Leopold von Kaisenberg (trotz der verschiedenen Schreibweise), der Taufpate in St. Ägidium zu Heiligenstadt bei der Taufe eines der Söhne des Hofrats, des Sohnes Leopold, war. Vater der Wilhelmine Hoffmann war Karl Joseph Heinrich Hoffmann, geboren 14.8.1757 und gestorben 15.7.1829 in Duderstadt. Er war mit der eben erwähnten WilheImine Antoinette Keysenberg verheiratet, auch ein Duderstädter Mädchen, geboren am 6.12.1763 und gestorben am 12.4.1837 in Duderstadt.
Im Bürgerbuch 111 der Stadt Duderstadt wird über Hoffmann (bzw. Hofmann) Verschiedenes berichtet. Demnach hatte er in Erfurt, Göttingen und Wien die Rechte studiert, praktizierte zunächst als Advocat. 1785 erwirbt er das Bürgerrecht, 1790 wird er Gerichtshalter bei der Familie v. Knorr, 1791 Churfürstlicher Justizamtmann zu Gieboldehausen. 1792 wird er Nachfolger des verstorbenen Stadtschultheissen und Regierungsrates Georg Heiland, 1799 wird er selbst Regierungsrat, 1805 von preußischer Seite als Stadtdirektor mit 700 Rth, Gehalt angestellt. wobei neben diesem Fixum ihm noch „300 Rth. und 19g und 10 ch." aus der Pensionskasse angewiesen werden. Während der französischen Fremdherrschaft wird er Maire, und Cantonmaire. Seine Amtskleidung war königsblauer Rock mit silbernen Knöpfen, zwei silbergestickten Streifen am Kragen, weiße Weste und weiße' Beinkleider, himmelblauer Infanteriegürtel. mit weißen Fransen, französischer Hut und Degen. Hoffmann hat so heißt es im Bürgerbuch - während drei Regierungen der Stadt gedient, der churmainzischen, der französischen und der preußischen, 1827 scheidet er nach längerer Krankheit als Bürgermeister und Regierungsrat aus dem Dienst aus, erhält eine Pension von 1.400 Thalern - diesmal von der 4. Regierung - der Königl. Großbritannischen Landrostei zu Hannover. Ein Bürgermeisterleben in einer kleinen durch ihre Würste, ihr schönes Rathaus und - vier Herrscher berühmten Stadt.
Der Hofrat Gerhardy und seine Frau Wilhelmine hatten 5 Söhne und 5 Töchter, Die Kinder Therese, Wilhelm und Louis müssen früh gestorben sein. Die Namen Wilhelmine, Karoline und Marie sind mir dagegen geläufig. Wir besaßen alte Porzellantassen, wo in Goldschrift diese Namen genannt wurden. Sie sind Ende des letzten Weltkrieges mit vielen schönen anderen Dingen geplündert worden. Die. Tochter Fernandine heiratete einen Arzt, Dr. Roth deren Nachfahren ich noch in Berlin als kleiner junge kennen gelernt habe, ohne mich im einzelnen daran zu erinnern. Ohne sie selbst gesehen oder gehört zu haben, weiß ich dagegen mehr über die drei Söhne Heinrich, Leopold (mein Großvater) und Hermann Gerhardy. Sie haben alle drei, wie man so sagt, Karriere gemacht - zum Teil mit viel Hindernissen. Von allen drei existieren Bilder - und ein lebhafter Briefwechsel, den ich Gottseidank bevor er gestohlen bzw. vernichtet wurde, gelesen habe. Damit verbunden waren Urkunden über Beförderungen, Ordensverleihungen mit untertassengroßen Siegeln und der Unterschrift des Königs. Schon die Graphik der Urkunden war ein ästhetischer Genuß. Den Briefwechsel kann ich nur aus dem Gedächtnis rekapitulieren, nach mehr als dreißig Jahren nicht einfach, zumal mein eigenes Leben während dieser Zeit nicht gerade erlebnisarm war.

Johann Heinrich Gerhardy

Text: Leo Gerhardy, Chronik der Familie Gerhardy

Johann Heinrich Gerhardy


Heinrich Gerhardy
(Kgl.Hofrat, kath.)
geb.13.4.1780 zu Gieboldehausen,
gest. 27.3.1843 zu Heiligenstadt

Ab 1802 bis 1807 ist das Eichsfeld preußisch, hier wird Johann Heinrich zum Ball geladen. 17. März 1805

Leopoldine Wilhelmine Hoffmann

Leopoldine Wilhelmine Hoffmann


Leopoldine Wilhelmine Hoffmann
geb.10.8.1791 zu Duderstadt
gest. 25.11.1863 zu Heiligenstadt

Johann & Katharina wurden am 27.8.1809 in der Duderstädter St. Cyriakus-Kirche vermählt.
Johann Heinrich Gerhardy war Sohn des am 22.4.1750 zu Gieboldehausen geborenen Oekonomen Johann Christoph Gerhardy, die Mutter war Clara Regina Wüstefeld, geb. 22.8.1750 auch zu Gieboldehausen. Als die beiden Brautleute heirateten, waren sie beide 21 Jahre alt - also sehr jung. In der Trauurkunde wird der junge Oekonom als "Witwer" bezeichnet, demnach war dies seine zweite Heirat. Wer die erste bereits verstorbene Frau des jungen Oekonomen gewesen ist, ist aus den Urkunden nicht ersichtlich.

Dr. med Heinrich Gerhardy

Dr. med. Heinrich Gerhardy 1810-1890.


Dr. med. Heinrich Gerhardy 1810-1890

Emma Gerhardy geb. Bracht.


Emma Gerhardy geb. Bracht

Emma Heiland geb. Gerhardy


Emma Heiland geb. Gerhardy
Tochter des Dr. med. Gerhardy
1842-1913.(?)

Die angaben stimmen nicht, ...


Die Angaben stimmen nicht, woher ich das weiß, weiß ich nicht mehr. ... (handschriflich vom Autor hinzugefügt)

Heinrich Gerhardy war am 4.10.1810 in Duderstadt geboren, hatte 1834 promoviert. Seine Doktor-Dissertation trug den Titel „De noetambulismo adnexa morbi historia“. 1839 wurde er praktischer Arzt in Düsseldorf, bald Gemeinderatsmitglied und bis 1871 leitender Arzt im Düsseldorfer Theresienhospital wo noch heute sein Bild hängt. Ein gleiches Bild hängt im Düsseldorfer Stadtmuseum. Beides sind Kopien. Das Original hat sich der Baron von Canstein angeeignet, der mit der Familie Gerhardy keinerlei blutsmäßige Verbindung hat und mit einer Stieftochter der Enkelin des Heinrich Gerhardy. verheiratet ist . Das Bild zeigt einen würdigen. Mann mit Backenbart - in Alter von etwa 60 Jahren. Er soll ein tüchtiger Arzt gewesen sein, eine gesellige Natur. Sein 50-jähriges Doktor-Jubiläum wurde von der Ärzteschaft mit großem Aufwand in der Düsseldorfer Tonhalle gefeiert. Er und sein Bruder Leopold (mein Großvater) waren oft in der Düsseldorfer Künstlervereinigung – späterem Malkasten - zu sehen.

Jedenfalls werden im verlorengegangenen Briefwechsel Malkasten, Tonhalle und Breidenbacher Hof als Treffpunkt häufig erwähnt.

Heinrich Gerhardy war mit Emma Bracht verheiratet, einer Schwester des s. Zt. angeshenen Malers dessen Bilder besonders der alte Kaiser Wilhelm liebte. Von Heinrich und Emma Gerhardy besitze ich je ein Porträt. Er sowohl sie auf den Bildern in den besten Jahren, so Mitte dreißig. 1848 ging Heinrich Gerhardy für ein-zwei Jahre nach Amerika - offiziell aus politischen Gründen (Heinrich Gerhardy war mit anderen Ärzten Mitglied der Düsseldorfer Bürgerwehr, die im offenen Gegensatz zur preußischen Regierung stand); gemunkelt wurde aber von amorösen Gründen. Eine Nonne aus dem Theresienkloster soll ihn nach Amerika begleitet haben. Nach seiner Rückkehr aus Amerika arrangierte er sich mit Kirche und Staat, machte großzügige Schenkungen; er muß viel Geld als Arzt verdient haben. Die Düsseldorfer Haute-Volée gehörte zu seinen Patienten, er wurde Geheimer Königlicher Sanitätsrat und vom Papst zum Ritter vom heiligen Grabe ernannt. Seinen Brüdern Leopold und Hermann war er sehr zugetan wenn ihm auch ein gewisser Opportunismus und Kaltschnäuzigkeit nicht abgesprochen wurde. Sein Haus in Düsseldorf auf der Reichstraße 59 lag gegenüber dem Ständehaus. dem heutigen Landtagsgebäude. war ein schönes altes Patrizierhaus mit einem großen Garten. Das Haus wurde von der Enkelin Heinrichs - Mia Weiß – kurz vor dem Kriege - es war sehr baufällig geworden — verkauft und währen des Krieges durch eine Fliegerbombe zerstört.


Grabstelle

Grabstelle D-Golzheim Auf dem Friedhof in Düsseldorf Golzheim

Hermann Gerhardy

Text: Leo Gerhardy, „Chronik der Familie Gerhardy“ Richter Hermann Gerhardy 1820 -1900


Richter Hermann Gerhardy 1820 -1900

Hermann Gerhardy, der jüngste Bruder meines Großvaters Leopold, war am 25.4.1820 geboren und starb am 18.7.1900.

1864 - Brief von Theodor Storm


1864 - Brief von Theodor Storm

Er war verheiratet mit einer Sally Stein; das Ehepaar war kinderlos und hat sich sehr um die Söhne des Bruders Leopold gekümmert, insbesondere um meinen Vater. Hermann war der Gerhardy, der in Heiligenstadt verblieb. Wie sein Vater war er Jurist und zum Schluß Richter. Er war mit Theodor Storm befreundet, der ihm ein Gedicht ge­widmet hat. Von Hermann besitze ich zwei Photos, eigentlich sind es dieselben eins mit Brille und eins ohne Brille. Es zeigt einen derben Mann, dem der Sinn für gutes Essen nicht abging. Jedenfalls weiß ich das aus seinen Briefen an meinen Vater, als dieser noch studierte. Da gibt er Ratschläge für das Studium, drängt darauf, die Musik zu pflegen, sie nicht zu vergessen; fragt, ob er genug Geld habe, ob er auch ordentlich äße. Seine Frau, Tante Sally, erwarte ihn zu den Ferien, Küche und Keller seien vor­bereitet, der Schneider für neue Garderobe bestellt uswm. Jedenfalls handfeste Fürsorge.

Geh. Reg.-Rat Leopold Gerhardy

✽27.1.1816 ✟11.7.1884

Leopold Gerhardy Leopold Gerhardy - 1835
Link zum Taufzeugnis Leopold Gerhardy
Leopold Gerhardy zur Verlobung - 1847 Leopold ca. 1867


Adele Gerhardy geb. Brüggemann Adele Gerhardy geb. Brüggemann Adele Gerhardy (*31.3.1825 +18.1.1894), geb. Brüggemann zur Verlobung 1847 (oben) und ca. 1867. Die Hochzeit fand erst am 10.07.1851 in Merseburg statt. Mehr zu den Hintergründen im Versuch einer Biographie


Die Söhne der Beiden ca. 1867 Leopold, Hermann, Heinrich und Gustav Gerhardy


Grabsteine Bild der Grabsteine des Ehepaars aus dem Nachlass von Thessy Becker geb. Gerhardy.

Wo sich die Steine in Erfurt befinden ist bisher nicht bekannt.

Mein Großvater (Daniels Ur-Urgroßvater). Karl Heinrich Leopold Gerhardy, Bruder des Arztes Heinrich und des Richters Hermann Gerhardy, wurde um 27.1.1816 in Heiligenstadt geboren und starb als Kgl. Preuß. Geheimer Regierungsrat in Erfurt am 11.7.1884. Verheiratet war er mit Adele Brüggmann. geb. 31.3.1825 in Merseburg, evangelisch, gestorben am 18.1.1894 zu Erfurt.
Beide heirateten am 10.7.1851 im Dom zu Merseburg. Über die Ausbildung. Studium2 meines Großvaters weiß ich nichts, jedenfalls war er um die Zeit von 1848 Regierungs-Assessor in Düsseldorf. Mit vier seiner Kollegen beteiligt er sich an dem "Steuerverweigerungsbeschluß", eine Angelegenheit, die damals in der Öffentlichkeit eine große fast revolutionäre Rolle spielte. Die Folge davon ist. eine vorläufige Suspendierung vom Dienst. Er befindet sich aber dabei in guter Gesellschaft u.a. von Lothar Bucher, der deswegeen 1850 angeklagt wird, sich den Verhaftung entzog und nach England ging. Der Vater seiner Verlobten Adele der Geheime Regierungsrat Brüggemann und angesehener Bürger der Stadt Stralsund, untersagt seiner Tochter die Heirat

Familie Leopold Gerhardy in Erfurt


Familie Leopold Gerhardy in Erfurt von links nach rechts: Hermann 1855 - 1926, Leopold 1856 - 1911,
Adele 1825 - 1894, Leopold 1816 -1884,
Heinrich 1853 - 1920, Gustav 1859 - 1923

Aber Adele ist stärker als ihr Vater, sie hält ihrem Bräutigam die Treue., 1851 heiraten sie. Wann Asssessor Gerhardy wieder in den Dienst gekommen ist, weiß ich nicht. 1851 tut er jedenfalls Dienst als Regierungsassessor in Stralsund, wird Regierungsrat und schließlich Geheimrat in Erfurt wo er in der Regierung tätig war. Unter den Papieren des Großvaters fand sich eine Kabinettsphotographie mit einem handschriftlichen Vermerk von "Freunde'' Lothar Bucher, der mit dem Großvater ungefähr gleichaltrig war Möglicherweise, daß die beiden zusammen studiert haben, Man muß sich in die damalige Zeit zurückversetzen ein öffentlicher Protest gegen die Regierung war keine einfache Sache und man riskierte schon einiges. Was aber Bismarck nicht hinderte, Bücher später als seinen Sekretär zu beschäftigen. Bücher begleitete ihn von 1869 bis 1876 regelmäßig nach Varzin. war seine rechte Hand während des deutsch-französischen Krieges im Hauptquartier. Bücher hat auch Mitarbeit m.W. an Bismarck's „Gedanken und Erinnerungen" geleistet. Der König und sein Ministerpräsident kannten natürlich nicht jeden höheren Beamten, aber totsicher wussten sie über jeden Beamten Bescheid, der einmal opponiert hatte. Unbequeme Untergebene sind das Salz der Beamtenschaft, soll Bismarck mal gesagt haben. Nachtragend war man damals in Preußen nicht. Und so fand der Großvater wieder seine Anstellung. Unter den vom Großvater aufbewahrten noch vorhandenen Photos fand ich auch eins, darstellend einen Major von Unruh, einen Namen, den ich später wieder im Kadettenkorps wiederholt traf, ein Name, der auch in der Literatur eine Rolle spielt. Nach der handschriftlichen Notiz waren der Großvater und Unruh langjährige Genossen eines "runden Tisches". Die anfangs erwähnten von Kaisenbergs waren verwandt mit einer Familie von Einem, alter hannoverscher Adel. Ein von Einem war wie ich Kadett. Von seinem Vater, der nach der Jahrhundertwende Kriegsminister wurde später ein. Bekannter Heerführer des 1. Weltkrieges, wußte er, daß dieser mit meinem Großvater befreundet war. Als der Großvater starb - 1884 - erhielt die Familie von Einem eine Todesanzeige. Auf der Rückseite der Anzeige schreibt der damalige junge Offizier einen langen Brief an seine Frau und bedauert den Tod des alten Gerhardy. Rund achtzig Jahre später findet der Sohn des nachher so berühmten Generaloberst von Einem unter Familienpapieren diesen Brief und dediziert ihn mir. - Hatte der Hofrat noch 10 Kinder, wird es in der nachfolgenden Generation wesentlich weniger. Der Einzige, der eine männliche Nachfolge schafft ist der Großvater Leopold Gerhardy. Soweit mir die Korrespondenz der Großeltern in Erinnerung ist, ist die Ehe der Großeltern eine glückliche gewesen. Geld war knapp, es war aber doch so viel vorhanden, um einen schlichten preußischen Standing zu leben. Der reiche Doktor Gerhardy und der vermutlich durch seine Frau Sally sehr wohlhabende Richter Hermann Gerhardy haben ihren Bruder Leopold bei der Ausbildung seiner 5 bzw. 4 Jungen materiell unterstützt. Der Älteste, Max, starb schon sehr früh im Kindesalter, dann kam der zweite - Heinrich der dritte Hermann, der vierte Leopold (mein Vater) und der fünfte Gustav.

Maria Gerhardy 1831-1866


Maria Gerhardy 1831-1866

Wilhelmine (1812-1877) oder Karlonine Gerhardy (1822-1881)


Wilhelmine (1812-1877) oder Karlonine Gerhardy (1822-1881)

Der zweite - Hermann Gerhardy

Hermann Gerhardy war ein armer Kerl; seit seinem 4. Lebensjahr taubstumm, infolgedessen geistig zurückgeblieben. Er war das zweite Sorgenkind der Großeltern die ihn bis zu ihrem Tod bei sich im Haus behielten. Großmutter Adele hatte es ihren beiden Söhnen Leopold und Gustav zur Pflicht gemacht, sich nach ihrem Tode um den hilflosen Bruder Hermann zu kümmern. Den Wunsch der Mutter haben die Brüder auch treulich erfüllt. Hermann Gerhardy lebte nach dem Tode der Mutter im Haushalt des jüngsten Bruders Gustav, der als Leutnant beim Infanterie-Regiment Nr. 130 in Metz stand. Später kauften Leopold und Gustav ihren hilflosen Bruder Hermann in ein Kloster ein. und zwar bei den Barmherzigen Brüdern in Trier. Die Brüder zahlten dafür 60.000 Goldmark; von den Zinsen sollte der Lebensunterhalt Hermann bestritten werden. Onkel Hermann schreinerte und hatte im Kloster eine Tischlerwerkstatt, wir Kinder nannten ihn Onkel Hem, ich habe ihn in freundlicher Erinnerung, weil er irgendwelches Spielzeug bastelte. Jeden Sonntag erschien er im schwarzen Anzug zum Mittagessen. Er starb 1926. von den Geschehnissen des ersten Weltkrieges, der Inflation, der Geldentwertung hat er wenig oder gar nichts erfaßt. So wurde er 71 und damit an Lebensjahren der älteste unter den 5 Brüdern.

verm. Hermann

Gustav Gerhardy

*12.8.1858 +17.5.1923
Text: Leo Gerhardy, "Chronik der Gerhardys"

Gustav Gerhardy
Gustav Gerhardy ca. 1883 Gustav Gerhardy
Gustav Gerhardy
Gustav Gerhardy Gustav Gerhardy Generalmajor (1858 - 1923)


Gustav Gerhardy
Generalmajor (1858 - 1923)

Gustav Gerhardy, der jüngste Bruder meines Vaters, wurde Offizier.3 Technisch interessiert fuhr er Hochrad und war Führer der ersten Abteilung des Heeres, die mit Fahrrädern ausgerüstet war. Er war begeisterter Ballonfahrer, hatte als solcher einen Freiballon und einen Fesselballon, unterstand mit seiner Sonderwaffe dem Kriegsminister. Für einen Leutnant eine herrliche Sache. Gustav Gerhardy blieb Kummer nicht erspart. Sein Sohn Armin war im frühen Kindesalter verstorben. Von seinen 4 Töchtern machte die Älteste, Ada, Schwierigkeiten. Was im Grunde die Dinge waren, weiß ich nicht genau. Ada ging nach Paris, irgendwelche Liebschaften waren die Ursache. Aber das kann es nicht allein gewesen sein. Es müssen Dinge geschehen sein, die die Existenz Gustav's als Offizier gefährdeten.4 Es kam zu einem Bruch, der nie geheilt worden ist. Als Gustav nach dem 1. Krieg in Carlshafen starb, hat die Familie abgelehnt, Ada zur Teilnahme an der Bestattung des Vaters aufzufordern. Während des 2. Weltkrieges starb Gustav's Frau5 Tante Hanny, also die Mutter. Auch hier lehnte die Familie ab, Ada zur Teilnahme an der Beerdigung aufzufordern. Jedenfalls erfuhr die Laufbahn Gustav's einen Knick6, und er wurde zum Kriegsbekleidungsamt versetzt. Das war für ihn sehr bitter; aber er hat was daraus gemacht. Da er finanziell ziemlich unabhängig war er hatte von seinem Onkel Hermann geerbt, seine Frau war eine wohlhabende Apothekerstochter aus Lübeck7 - hatte er wirtschaftlich keine Sorgen. Er wurde Leiter des größten Kriegsbekleidungsamtes der Armee nämlich in Spandau, wurde Oberst. Industriellen Dingen sehr aufgeschlossen modernisierte er das Amt, das tausende Leute, Handwerker der verschiedensten Art, beschäftigte. Die Ämter waren genau wie heute ein Tummelplatz für Spekulanten, Kriegsschieber und dergl. Nach dem 1. Weltkrieg kam eine Untersuchungskommission in die Bekleidungsämter, um angebliche Schiebereien, Durchstechereien zu untersuchen. Das Amt Spandau als das größte schnitt bei dieser Untersuchung als völlig unbelastet ab. Als Gustav aus dem Amt ausschied, ernannte man ihn noch zum Generalmajor; Herr von Siemens. Chef des Elektro-Konzerns, bot dem Onkel eine Position in seinem Werk an. Er hatte diesen begabten Industrie-Organisator als integeren Mann schätzen gelernt. Der Onkel lehnte ab, er war nach den aufregenden Kriegsjahren wohl einer anstrengenden Arbeit nicht mehr gewachsen.
Er starb in Carlshafen - 65 Jahre alt. Der Grabstein auf dem Friedhof in Karlshafen

Leopold Gerhardy

Leopold Gerhardy


Leopold Gerhardy
Richter (1856 - 1911)

Mein Vater, zwei Jahre älter als sein Bruder Gustav, wurde Richter. Geboren am 12.11.1856 in Stralsund starb er am 19.10.1911 in Mönchengladbach an den Folgen einer Lungenentzündung, Nach ihrer Stralsunder Zeit lebten die Großeltern, der Regierungsrat, in Erfurt, wo auch die Söhne zur Schule gingen. Irgendwo existiert noch ein Schülernotizbuch meines Vaters. Ich habe es nachgelesen. Mein Vater war damals 12 bis 13 Jahre alt. Jeden Vor- und Nachmittag Unterricht. Jeden Tag zwei Stunden Latein, in der Woche 6 bis 8 Stunden Griechisch. Die Lehrstunden hatten 60 Minuten und nicht wie heute 35 Minuten. Es wurde gepaukt und — gelernt. Die Jungen machten damals genau soviel Unsinn wie heute, das geht aus dein Notizbuch hervor. Es wurde mancher Schabernack getrieben; es gab Lehrer, die man verehrte, und Pauker, die man verfluchte. An Kaisers Geburtstag, es war damals der alte Kaiser — am 11 März machte man einen Ausflug, und der Tertiarier notierte,: daß er ein Seidel Bier getrunken habe. Eine Maßbezeichnung, die man heute nicht, mehr kennt. Mit der Pferdepost fuhr man nach Heiligenstadt zum Onkel Hermann. Über die Kosten der Reise wird genau Buchgeführt, auch über das Gepäck, was man mitnahm. Das Haus in Heiligenstadt muß sehr groß gewesen sein, ich besaß ein Photo davon, ein langgestrecktes doppelstöckiges Haus mit einer Siebenfensterfront. Mit dem Abitur hat der Vater Schwierigkeiten gehabt er fiel durch und mußte das Abitur später nachholen. Von seinem Bruder, Onkel Gustav, weiß ich, das Durchfallen soll durch eine Schikane eines Lehrers verursacht worden sein. Das Schülernotitzbuch meines Vaters erwähnt weiter den regelmäßigen Besuch von Musikabenden — teils als aktiver Geiger, teils als Zuhörer. Der Vater soll ein guter Violinist gewesen sein. Während seiner Berliner Studentenzeit hat er gelegentlich einem Quartett mit dem s. Zt. berühmten. Geiger Joachim mitgespielt. Da muß er schon etwas gekonnt haben um in einem solchen Kreis mitzuwirken. Der.Vater studierte in Marburg und Berlin, zuerst ein Semester Medizin. Dort paßte er, als er eine Leichensezierung mitmachen mußte, und schaltete um auf Jura. Der Vorschlag seines Onkels Hermann, in eine Burschenschaft oder in ein Corps einzutreten lehnte der Vater ab, da ihm dies zu unmodern erschien (1876). Zwischendurch mußte er sein Jahr als Soldat abdienen und wurde vom Heer als Seconde-Lieutenant entlassen. Wie gut oder wie schlecht er seine Referendar- und Assessor-Prüfungen gemacht hat, weiß ich nicht. Unter den alten Papieren — jetzt vernichtet — fand ich zwei umfangreiche Bücher, handgeschrieben von meinem Vater — alles auf Latein — die Vorbereitungsarbeiten zu den eben erwähnten Prüfungen, Er wird Regierungsassessor in Düsseldorf, Regierungs- und Gerichts- Assessor in der Ausbildung gleich, unterschieden sich s. Zt so ungefähr wie bei der Armee Garde und Linie. Mein Vater hat dann einen Krach mit seinen Oberen gehabt, er muß eine Natur gehabt haben, die auf der einen Seite sehr loyal war, auf der anderen Seite alles andere als unterwürfig. Jedenfalls erklärte er, lieber in dem kleinsten Kaff Richter zu sein als Augendiener in einer Regierungslaufbahn. Kurzum er schied aus dem Regierungsdienst aus und schlug die Richterlaufbahn ein. Zuerst Genchtsassessor in Rheinberg, 1896 wird er Amtsrichter in Mönchengladbach. Mönchengladbach war damals ein unbedeutendes Textilstädchen, Von dort aus fuhr er häufig zu seiner Düsseldorfer Verwandtschaft, die ihn zu verheiraten versuchte, was sich aber .zerschlug. In Mönchengladbach lernt der Vater unsere Mutter kennen.— Clementine — von der Familie Klem oder Cly genannt, zweite Tochter des Gastwirts Jean Mertens und seiner Frau. Maria geb. von Elmpt. Sie heiraten am 8.9.1900, es muß eine große Hochzeit gewesen sein — mit allem, Drum und. Dran. Unter den hinterlassenen Papieren fanden sich noch stoßweise schriftliche und telegraphische Glückwünsche mit den Namen Pferdemenges, Croon, Herrn, Reiners — die damaligen Textil-Könige des Niederrheins, einer sehr schön gedruckten Hochzeitszeitung, Menu-Karten uswm. Die Hochzeit war auch für Gladbach eine kleine Sensation, der Richter Gerhardy war 44, die Braut 19 Jahre. So ganz d' accord war die Familie Gerhardy nicht mit der Heirat - aber nur zunächst. Beanstandet wurde — verständlich der Altersunterschied. Die 25 Jahre waren ja nicht zu übersehen, dann der Standes- und Bildungsunterschied, eine Sache, die damals eine gewisse Rolle spielte. Das erstere war ja nicht beiseite zu schieben, über das zweite kam man aber schnell hinweg. Meine - oder besser gesagt unsere Mutter, wir waren später zu vier Kindern — brachte nämlich etwas mit, was doch nicht allzu häufig war. Einmal ihre äußere Erscheinung, sie war eine auffallend schöne Frau, aber dann, was noch mehr beeindruckte waren ihr Charme und ihr Humor, beides Erbteile ihrer Eitern. So war sie immer ein gern gesehener Gast bei der Düsseldorfer Verwandtschaft wie auch bei ihrem Schwager Gustav und seiner Frau, unserer Tante Hanny, die sehr streng und wie die meisten Norddeutschen ein wenig schwerfällig waren. Cly, wie sie dort immer genannt wurde, verstand, die Familie aufzumöbeln. Ob die Ehe unserer Elterrn eine besonders glückliche war, vermag ich nicht zu behaupten. Der Altersunterschied wird sicher die Ehe beeinflußt haben.

Clementine Mertens

Clementine Mertens


Clementine Mertens
Ehefrau von Leopold

Meine Mutter kam durch meinen Vater in einen Kreis herein, den sie von Hause nur von weitem kannte. Ein Kreis mit vielen geistigen Interessen; sie hat ach dem sehnell angepaßt, mein Vater war wohl ein guter Lehrmeister. Daß man für den Besuch eines Theater- oder Konzert-Abends u. U. ein bis zwei Tage mit der Bahn reiste - für meinen Vater eine Selbstverständlichkeit —, war für meine Mutter ein Eintritt in eine neue Welt. Direkt nach seiner Heirat ging der Vater nach Trier, er war inzwischen Amtsgerichtsrat geworden. Als Richter hatte er ein hohes Ansehen, das ist mir später von Juristen, die ihn gut gekannt haben, wiederholt bestätigt worden. Die Trierer Zeit ist für unsere Eltern eine schöne gewesen, unsere Mutter erzählte immer begeistert davon. Die vielen Bälle in Trier und Metz, die schönen lothringischen Frauen, die Offiziere, das schöne Land, der Wein, der Vater sehr gastfrei - all das machte das Leben farbig und fröhlich. Aus einem Kassenbuch meines Vaters weiß ich, daß er ein Gehalt von 600 Mark monatlich hatte, dazu kamen die Zinsen seines Vermögens - etwa 500-Mark monatlich. Im Schnitt brauch­ten die Eltern 12.000 Goldmark, während der Trierer Zeit im Jahr, wobei das Vermögen nicht angegriffen wurde. Für damalige Zeiten ein hohes Einkommen. 1911 starb mein Vater, meine Mutter war dreißig, meine Schwester Mary war zehn, ich sechs und meine Zwillingsschwestern Grete und Marta drei Jahre. So haben die Kinder den Vater nur wenig oder kaum in Erinnerung. Ich kann mich nur an ein paar einzelne Vorgänge erinnern, meine Schwester Mary etwas mehr. Kurz nach dem Tode meines Vaters zog meine Mutter mit den Kindern nach Düsseldorf, um in der Nähe der Gerhardyschen Verwandtschaft zu sein. Der Bruder meines Vaters, Gustav Gerhardy, inzwischen wohnhaft in Spandau, kümmerte sich sehr um die Familie - in Sonderheit um mich — damals dem letzten Gerhardy. Von wem ich aber am meisten über meinen Vater erfuhr, und wer meinen Vater sehr geschätzt hat, war sein Schwager, der Bruder meiner Mutter - Theodor Mertens. Er hatte ihn in .Mönchengladbach während vier Jahre erlebt, mein Vater war Veranlassung, daß Theodor Mertens nach England zu seiner Ausbildung ging, und sicher wäre es gewesen, wenn unser Vater länger gelebt hätte, Theodor Mertens hätte eine bessere Laufbahn ergriffen. Theodor Mertens hat mir viel über unseren Vater erzählt, daß er neben seiner Strenge ein recht fröhlicher Mann war, Sinn für einen guten Streich hatte. Er ist häufig in Trier bei meinem Vater zu Gast gewesen. Die Eltern unserer Mutter — Großvater Jean Mertens und Großmutter Maria - habe ich beide noch in guter Erinnerung. Großmutter Maria Mertens starb relativ früh — Neujahr 1914 — 58 Jahre. Großvater Mertens 16 Jahre später - 75 Jahre alt. Die Großeltern hatten früh geheiratet. Jedenfalls der Großvater mit 21 und die Großmutter mit 20. Das großväterliche Haus war ein altes niederrheinisches zweistöckiges Bauernhaus mit einer 5-Fensterfront. Die Mauern waren Feldbrandsteine — zur Regenseite weiß gekälkt, ein Anstrich, der alle zwei Jahre erneuert werden mußte. Hinter dem Haus war ein großer Saal der für Vereinsfeste diente, dahinter wieder Stallungen und Scheune. Rechts neben dem Haus war ein großer Garten; am Haus eine große offene Terrasse. Der Türeingang war in der Mitte der Vorderfront. Rechts war das lange Zimmer, die Stube für die ,,Herren", links zwei Gaststuben mit gescheuerten Tischen, wo die ,,einfachen Leute" saßen. Der Abschluß der vorderen Gaststube bildete eine halbkreisförmige Wand aus in Messingrahmen gefaßten Butzenscheiben. Dahinter war die Theke mit Zapfhähnen, Gläsern usw. Das Ganze hatte einen Hauch von Deftigkeit und Behaglichkeit. Die Wirtschaft war in ihrer besten Zeit eine Goldgrube. Um 5 Uhr morgens wurde schon geöffnet, und die zur Arbeit gehenden Leute holten ihren Buddel Schnaps. Großmutter Mertens war wohl die Seele des Geschäfts, eine hervorragende Wirtin, beherrschte Küche und Keller und hielt den Daumen auf der Kasse. Beide Eheleute verstanden mit ihren Gästen umzugehen. die Mertens'sche Gastwirtschaft gehört zu den frequentiertesten der Stadt Mönchengladbach; was Namen und Klang in der Stadt hatte verkehrte bei Mertens. Ich sehe meinen Großvater noch vor mir. Im blauen Anzug, der Rock wie ein Cut geschnitten, eine goldene Uhrkette, nie ohne Zigarre. Er - wie sein Sohn Theodor — waren gute Erzähler. Der Großvater war verschiedentlich in England gewesen, und wenn er davon erzählte, war das für mich wie eine Jules-Vernes Geschichte. Damals konnte man noch über Reisen erzählen, und man konnte sich aus der Erzählung ein Bild machen. Heute wird tausendmal mehr gereist. Außer über den Übernachtungs- und Kotelett-Preis wissen die Reisenden nichts über das Land, in dem sie angeblich gewesen sind. An die Küche des Hauses erinnere ich mich auch — besonders an einen Herd von gewaltigen Ausmaßen und an einen Eckschrank - ein rheinischer Barockschrank mit sehr schönen Holzarbeiten und Butzenscheiben. Der Schrank, der heute ein Museumstück sein würde, ist 1944/45 den Weg alles Irdischen gegangen. Das Gasthaus mit seinen unzähligen Nebengelassen, Räumen usw. wurde durch einen Bombenangriff völlig zerstört, Nachder Zerstörung ist alles eingeebnet worden. Dort, wo Gasthaus, Saal, Stallung und Scheune standen, ist jetzt ein großer Verkehrsknotenpunkt mit Ampeln usw. Wenn jemand aus der Familie durch Gladbach mit dem Auto fährt, kreuzt die Ecke Viktoria- und Flieth-Straße, dort von der Ecke bis zum Bahndamm stand das elterliche Haus unserer Mutter. Die Großeltern Mertens, ihr Sohn Theodor, mein Vater, sein Schwager Ludwig Ross und sein Neffe Willi Ross liegen in Gladbach begraben. Die Grabstätte gehört zur Hälfte mir und zur Hälfte Yvonne Ross, der Witwe von Willi Ross. Was für die Familiengeschichte interessant ist, es existiert noch eine Grabstätte aus der Familie meiner Großmutter, der Familie von Elmpt, ein Erbbegräbnis. Das liegt in dem in den 20er Jahren zu einem Park gemachten städtischen Friedhof in der Nähe der Mönchengladbacher Kaiser-Friedrich-Halle – Vielleicht so 100/200 m von der Halle entfernt, Unter einigen Zwergkiefern liegt versteckt eine Grabplatte der Eltern der Großmutter Mertens geb. von Elmpt.

Maria Mertens geb. v.Elmpt


(Grossmutter)Maria Mertens
geb. v.Elmpt 1.1.1856 - 1.1.1914

Die von Elmpt's stammen aus dem bekannten deutsch-niederländischen Grenzort Elmpt. Es muß eine große Familie gewesen sein — groß, was mehr zahlreich heißt. Sehr tüchtig müssen sie nicht gewesen sein, denn vor mehr als 100 Jahren haben sie ihren großen Landbesitz aufgeben müssen. Das Gutshaus, „Haus Elmpt", ein altes Wohnhaus, steht unter Denkmalschutz. Die Familie hat sich dann in alle Winde verstreut, und ein Zweig ging nach Gladbach, wo - Ahnenforschung bringt auch Überraschungen hervor — mein Onkel Theodor in einer Chronik lesen konnte, daß die von Elmpt's als „Proletarier" das ehrsame Geschäft eines Metzgermeisters betrieben. Niemand hat sich mehr über diese Feststellung amüsiert wie mein Onkel Theodor und sein Vetter Norbert von Elmpt. Norbert von Elmpt, seines Zeichens gut verdienender Industrievertreter, war ein beliebter Mann, ein vorzüglicher Unterhalter und konnte, wenn er es drauf hatte, nur vor Witz sprühen. Er starb vor 10 oder 15 Jahren als hoher Siebziger. Nun gibt es am Oberrhein und in Süddeutschland noch manche von Elmpt's. Das erzählte mir der Bürgermeister von Elmpt. Er hatte vor wenigen Jahren einen Antrag bekommen — vom Oberrhein oder aus der Pfalz. — wonach eine Schnapsbrennerei ihren Schnaps mit einem besonderen Etikett ausrüsten wollte. Das Etikett sollte das Wappen derer von Elmpt erhalten und damit den Verbrauchern vorgaukeln, daß dieser Schnaps aus einer uralten Schnapsbrennerfamilie stamme. Der Antrag wurde mit Recht abgelehnt. Die Elmpt's in Elmpt sind alles mögliche gewesen, Schnaps haben sie nie gebrannt. Am 17.3.1941 starb in Berlin unsere Mutter, knapp 60 Jahre. Es ist nun Sache meiner Geschwister und meiner Kinder, die Chronik zu ergänzen, fortzusetzen, wie es in ihrem Sinne ist. Sie sollten das für ihre Kinder tun. Ein Bild des Grossvaters existiert leider nicht mehr. Das Bild der Grossmutter ist ein auf Pappe gemaltes Oelbild, im Original dunkler als das Photo. Der Maler, ein Gast des Hauses Mertens, soll seine Zeche schuldig geblieben sein und als Ausgleich dieses Bild gemalt haben. Jedenfalls ist der Gesichtsausdruck so, wie ich unsere Grossmutter in Erinnerung habe. Wer der Maler war, weiss ich nicht.

Heinrich Gerhardy

Heinrich Gerhardy (Kadett in Berlin) 1853 - 1920


Heinrich Gerhardy
(Kadett in Berlin) 1853 - 1920

Heinrich Gerhardy (Lieutnant Ostpreuß. Grenadier-Regiment Nr. 5) 1853 - 1920 Photo vom 8.7.1879


Heinrich Gerhardy
(Lieutnant Ostpreuß. Grenadier-Regiment Nr.5)
1853 – 1920
Photo vom 8.7.1879

vermutlich Heinrich und Gustav

Von allen vier Brüdern (der früh verstorbene Max wurde in späteren Erzählungen nie erwähnt, daß er gelebt hat, weiß ich nur aus Papieren) war prakisch Heinrich der Älteste; von allen vieren existieren Photos teis allein, teils als Gruppenaufnahme. Heinrich wurde im Kadettenkorps erzogen, zwei Einzelphotos existieren von ihm. Eins zeigt ihn in der Uniform der Berliner Kadetten. Damals war die Kadettenanstalt auf der Friedrichstraße in Berlin, das andere Photo zeigt ihn als Leutnant eines ostpreußischen Grenadierregiments. Äußerlich muß er ein - wie man sagt - schöner Kerl gewesen sein. Spielschulden, Weiberge­schichten. Trunkenheitsdelikte haben einer vielversprechenden Laufhahn sehr bald ein Ende gemacht. Die Eltern müssen unter dem ungeratenen Sohn sehr gelitten haben, so daß die jüngeren Brüder Leopold (mein Vater) und Gustav geschlossen gegen den Bruder Heinrich auftraten. Als er 1920 starb, erinnere ich mich, wie mein Onkel Gustav nach Erfurt fuhr, um irgendwelche Hinterlassenschaften zu regeln. Gesprochen wurde in der Familie über den Onkel Heinrich nie. und wenn ihn der Onkel Gustav einmal erwähnte - dann nur mit Groll. Wovon der Heinrich Gerhardy in Erfurt lebte, weiß ich nicht. Verheiratet war er m. W. nicht, er soll eine Versicherungsvertretung gehabt haben.

Generalarzt Roth

Text: Leo Gerhardy, Chronik der Gerhardys Generalarzt Roth


Generalarzt Roth

Handschriftlicher Zusatz


/Foto
/in meinem Besitz
/Rückseite (Schrift meines Vaters)
"Großonkel von Leopold Gerhardy"


  1. Leo Gerhardy wurde 1911 Halbweise, da sein Vater Leopold verstarb. Seine Vormundschaft hatte daraufhin Gustav Gerhardy, der Leo in die Kadettenanstalt zur Ausbildung schickte, entsprechend eng waren daraufhin die Familienbande.
    Leo Gerhardy als Kadett 

  2. Prof Hans-Reinhard Koch schreibt am 19.12.2021 "Ich bearbeite zur Zeit die Matrikel unserer Studentenverbindung, des Corps Rhenania Bonn. Bei uns war 1836/37 Leopold Gerhardy aktiv. Was wir über ihn wissen, ergibt sich aus dem gegenwärtigen Stand unseres Matrikeleintrags, bei dem mir Ihre Webseite eine große Hilfe war:"
    242. Gerhardy, Karl Heinrich Leopold (×××) Rez Sommer 1836; Austr. Ostern 1837; Bruder von Hermann Gerhardy (××.×.×) Palatiae Bonn ✳ 27.1.1816 Heiligenstadt/Sa.; S. d. Hofrats Heinrich Gerhardy u. d. Wilhelmine Hoffmann; Gymn. Heiligenstadt; stud. jur. Göttingen, Bonn; 1837 Auskultator OLG Halberstadt; Reg.-Assessor Düsseldorf; Mitglied des Düsseldorfer Regierungskollegiums, dort 1848 (neben Lothar Bucher, 1817-92) Unterstützer des sog. Steuerverweigerungsbeschlusses, deswegen suspendiert; 1850 Reg.-Ass. Stralsund; ca. 1860 Geh. Regierungsrat in Erfurt 

  3. Aus dieser Zeit ist einiger Briefverkehr zwischen Gustav und seinen Eltern erhalten. In diesem Briefverkehr grüßt er auch seinen Schatz in Erfurt. Dies soll ein Mädchen aus der Nachbarschaft gewesen sein, dass ein Offizier nicht heiraten konnte. Die Bezahlung in der Armee war so schlecht, dass er auf die Mitgift einer reichen Frau angewiesen war. 

  4. Ada hat sich in Berlin in einen verheirateten Mann, den Maler Eugen Ludwig Mossgraber, verliebt und wurde von ihm schwanger. Dies hat zur damaligen Zeit, dem Offizierskodex nach, den Austritt von Gustav aus der Armee bedeutet. Damit die Schwangerschaft nicht bekannt wurde, wurde Ada nach Paris geschickt. Dort wurde Sie von ihrer Mutter besucht und mit Babyartikeln versorgt. Es hat wohl auch ein Angebot zur Rückkehr mit Regelung zur Versorgung des Enkelkindes gegeben. Die Antwort von Ada war eine weitere Schwangerschaft und das Zusammenziehen mit Ludwig Mossgraber. Weiter wird erzählt, dass Ada Ihre Eltern regelmäßig um Geld erpressed hat. Der Großvater soll über die geleisteten Summen Buch geführt haben und dies ihrem Erbe angerechnet haben. Tatsächlich taucht Ada dann auch nicht mehr auf dem Erbschein der Großeltern auf. Die Tochter wurde seit diesen Ereignissen von den Eltern ignoriert. (ergänzt nach einem Gespräch mit Gudula Weber geb. Becker am 3.4.2024) 

  5. Die Gerhardy stammen aus dem Eichsfeld, sind folglich alle katholisch. Gustav‘s Mutter war evangelisch und weil ihm nicht gefallen hat, dass seine Mutter immer alleine in die Kirche gehen musste, entschied er bei der Heirat mit seiner evangelischen Frau, dass gemeinsame Kinder evangelisch getauft werden. Dies hatte die Exkommunizierung von Gustav zur Folge. Diese wurde mit der Heirat seiner Tochter Hella mit dem aus Köln stammenden, katholischen Jo Sauer und der Zusage deren Kinder katholisch zu taufen wieder zurückgenommen. (Gespräch mit Gudula Weber, geb. Becker vom 03.04.2024)  

  6. Gustav litt unter Krampfadern, was ihm den Dienst zu Pferde unmöglich machte, dies war der Grund für den Wechsel an den Schreibtisch des Beschaffungsamtes, wie Gudula Weber geb. Becker am 03.04.2024 berichtet 

  7. Die Apotheke war in Berlin und nicht in Lübeck, direkt gegenüber der Charité