Brief von Hans an seine Eltern

Stettin 6.3.45

Hans Becker, Volkssturm 39781
Liebe1 Eltern!
Wir sassen am 23. 2. ganz gemütlich in unserem Quartier, da gab es plötzlich durch die Russen einen Feuerüberfall. Wir eilten in unsere Stellungen, nach einigem Hin- u. Herschießen schien die Sache wieder im Sande zu verlaufen. Da explodierte etwa 2 Meter von uns eine Panzergranate, die alle in Rauch und Staub hüllte. Ich hatte keine Schmerzen und konnte mich aber wegen Verletzungen der Arme nicht erheben. Ein Sanitäter war rasch zur Stelle u. legte mir Notverband an. Da der Feuerüberfall der Russen rasch nachließ, war es möglich, dass ich gleich zum Hauptverbandsplatz gebracht werden konnte, wo ich in ärztliche Behandlung kam. Der rechte Oberarm war vom Fleisch fast ganz entblößt, der Knochen verletzt, der Linke hatte mehrere Wunden. Außerdem habe ich eine lange Wunde am rechten Oberschenkel am Ansatz des Unterleibs. Der Hauptverbandsplatz von Pyritz liegt unter ständigem Beschuss u. die Verwundeten müssen in kalten feuchten Kellern untergebracht werden. Dort musste ich 3 Tage zubringen, von ärztlicher Behandlung war keine Rede. Wider Erwarten wurden wir dann in der 3. Nacht in Sanitätsautos verbracht und nach Buchholz verbracht, wo die einzelnen Verwundeten ausrangiert wurden. Ich wurde gleich für das Kriegslazarett Stettin bestimmt, in derselben Nacht noch hingebracht. Nun kam Schwung in die Sache, am nächsten Morgen lag ich schon auf dem Operationstisch. Der rechte Arm, der schon ganz schmierig war und einen äußerst üblen Geruch verbreitete, war nicht mehr zu retten und wurde dicht unter der Achsel amputiert. Der linke Arm, der noch verschiedene Verwundungen davon getragen hatte, wurde geschient. So liege ich also ganz hilflos in meinem Bett, kann selber nicht essen, brauche nur den Mund aufmachen, dass mir die Schwestern was reinstopfen. In den ersten Tagen war ich durch Fieber ziemlich mitgenommen, augenblicklich sind die Temperaturen 37 bezw. 38 Grad. Der Arzt ist mit der Heilung der Amputationswunde zufrieden und ich habe das Gefühl, das Schlimmste überstanden zu haben. Leider habe ich nicht die Hoffnung, dass der linke Arm wieder voll bewegungsfähig wird.
Eben erfahre ich, dass ich von Stettin in einen Lazarettzug verladen werden soll. Wohin unbekannt. Ich hoffe es nicht schlechter zu haben als ich es hier hatte. – Wo steckt eigentlich Fritz? Noch in Berent? Lebt wohl und seid herzlich gegrüßt, auch mit Fritzens Familie
Euer Hans.


  1. geschrieben von einer Schwester