Keutschach, den [ Juni 1961]



Lieber Kluti.

Zunächst vielmals Entschuldigung für dies dämliche Papier. Aber in diesem Nest gibt es kein anderes. Und hier auf dieses werden wohl die gelehrten Bauernlümmel ihr Liebesgestammel pinnen. Sonst schreibe ich am liebsten auf Schreibmaschinenpapier und Geschäftsumschlägen, da aber beides vergessen wurde (unpersönliche Konstruktion!) muß ich hiermit vorlieb nehmen. Das Vergessen erklärt auch die Verspätung mit der dieser Brief geschrieben wird. Ich habe, glaube ich, Sonnenbrand. Heute nacht wird es sich zeigen. Ich weiß die Definition eines Sonnenbrandes nicht, aber meine ist, wenn ich nicht schlafen oder auf dem Rücken liegen kann von wegen der geröteten Haut. Da ich Sonnenbrand habe, muß wohl die Sonne scheinen. Und das tut sie auch, sogar den ganzen Tag. Es lungern zwar immer Wolken an Himmel herum, aber ihr Schatten hat mich bis jetzt noch nicht gestört. Auch die Seen, man beachte den Plural, sind (sehr) warm. Um 20° C. Ich schwimme, rudere und spiele Federtennis. Lauter Beschäftigungen, die deinem Organismus Unbehagen bereiten würden und so ist es wohl auch müßig, dich neidisch machen zu wollen. Falls du es doch sein solltest (irrealis) so hast du doch immer noch meine Klassenarbeiten als letzten Trumpf in der Hand. Nebenbei tue ich sogar etwas für die Schule. Aber eben nur nebenbei. Ich quäle mich durch die Biographie von Platon und lese „Die Fliegen“. Letzteres läßt immer einige Assoziationen zu, denn Ungeziefer, auch fliegendes gibts wie Sand am Meer. Schlägt man eine tot, so kommen dafür zwei neue. „Das ist das, was wir an Österreich so lieben“, Zitat einer ältlichen Gästin, aber im anderen Zusammenhang. Die unbewußte Anwendung des Pluralis Majestatibus läßt auf ihre übrige Geisteshaltung schließen. Ansonsten gibt es hier noch Leute aus Hannover, wird wahrscheinlich scherzhafterweise mit Herr Graf angeredet, ich bin noch nicht dahintergekommen, irgendwelche von‘s mit Frau und zwei großen Kindern (kleinen Erwachsenen), aber außer „Guten Morgen“, „Guten Tag“und „Guten Abend“ habe ich noch kein Wort gewechselt. Das Subjekt im letzten Satz ist teilweise unklar, soll mal nur der Vater, mal die ganze Familie sein. Wann der Brief abgehen wird, weiß ich noch nicht, und was ich Hans-Eberhard schreiben soll ohne mich zu wiederholen, selbiges läßt mein ? nicht zu, wüßt ich noch nicht. Dennoch gutes Wetter und viele Grüße an deine Eltern und andere gemeinsame Bekannte und (hier sollte noch eine fiese Bemerkung stehen).

Dein
Bernd

Philipp und Dani in Keutschach Philipp und Dani in Keutschach