Gustav Gerhardy schreibt an seine Eltern am 29. September 1880

Vorderseite Vorderseite
Rückseite Rückseite

Düsseldorf, den 29.Sept.80

L. E.1
Seid vorgestern bin ich nun hier bei den lieben Düsseldorfern.2
Am vergangenen Montag Abends um 8.51 erwartete mich der gute Onkel und die liebe Cousine auf dem Bahnhof, mich in Uniform vermuthend. Ich erkannte Sie natürlich sofort und wurde mit Freuden empfangen und im Triumphe nach Hause geführt. Die gute Tante und das reizende kleine Hermännchen harrten hier schon auf den blanken Neffen, der nun in Civil erschien.
Die herzlichste Aufnahme ward mir zu Theil und sofort nach dem ich mich ein wenig zu Recht gemacht, ging es auch an's Essen und ???. Hier ist Alles ganz wohl und munter. Der Onkel und die Tante sind rüstig. Sie werden nächstens, wenn der immense Ausstellungsdrubel vorüber ist, Schreibebriefe an Euch loslassen.
Die Ausstellung, die die ich nun schon 2mal besehen ist brilliant, riesig, brüllend, ich schreibe davon garnichts und verspare mir Alles für mündliche Überlieferung auf, denn wenn ich einmal erst anfange, dann kann ich überhaupt gar kein Ende finden, aberso viel muß ich gestehen, daß Papa entschieden unendlich viel versäumt hat, daß er von Köln nicht gen Düsseldorf gezogen ist, um diese Riesenausstellung zu besehen.
Koryphäen wie Krupp, Hagenbeck, Borsig gg. haben dort ihr Schönstes ausgestellt, was sie fabricieren. Die 40 ? Kanona ist riesig. Die elektrische Eisenbahn ist viel versprechend. 30 Menschen werden durch dieselbe auf einmal in der Ausstellung herum befördert. Wer weiß, nächstes Jahrhundert werden wir sogar noch mit Elektrizität von Erfurt nach Düsseldorf fahren, und zwar mit ganz anständiger Geschwindigkeit, wenngleich allerdings die momenmtane3 etwa der der Casseler Dampf-Tramway's4 gleichkommt.
Am 4ten Oktober trete ich ganz bestimmt meine Rheinreise nach einem von Onkel Hermann entworfen und Onkel Hei. verbesserten Plan an.
mit Grüßen an Alle von Onkel, Tante Cousine u. Heine
Euer Gustav


  1. Erh. 1.10. beantw. 2.10 nach Düssel. 

  2. Transscription durch Sibylle Fährmann 

  3. Geschwindigkeit 

  4. am 9. Juli 1877, mit zwei in England gebauten Dampf-Zugmaschinen und vier Personenwagen, nimmt die "Cassel Tramway Company Limited" auf der Strecke Königsplatz bis Wilhelmshöhe den Verkehr auf. siehe auch Historische Beschreibung