Gustav Gerhardy schreibt am 18. August 1883 an seine Eltern

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Trier, den 19. August 83

Herzliebe Eltern1
Erst heute komme ich spät Abends dazu Euch für Eure lieben Briefe und Festgaben meinen allerherzlichsten Dank zu sagen. Ihr habt mich unter den abwaltenden Umständen wieder viel zu reichlich bedacht, namentlich Papachen meint immer, wenn ich über meine bevorstehende Neuanschaffung Euch etwas schreibe, so sollte das ein Notschrei nach Mammon sein. Ich habe für derartige Nothschreie selber noch 90M in der Kleiderkasse, mit denen ich mir das Maul stopfen kann, daß mir natürlich die Zeltausgabe nicht paßt, zumal ich weiß, daß ich wohl nur noch n diesem Manöver dasselbe als Kompanieoffizier benutzen werde, könnt Ihr Euch denken. In diesem Jahre werde ich jedenfalls erst nach dem manöver für Stoll krognieren müssen, da er ganz zu allerletzt nur als Vorposten Kommandeur fungiert. Hoffentlich finde ich aber ev. bei dem Regiment oder der Brigade diesbezüglich Verwendung wie ich schon im vorigen Jahre sollte. Nun für Euch eine erfreuliche aber auch zugleich nicht erfreuliche Nachricht. Seit 8 Tagen arbeite ich mich in die Geschäfte eines Bataillons Adjudanten auf Stolls Befehl ein, weil ich nach dem Manöver unseren jetzigen Nixdorf, der nach dem Manöver 4 Wochen auf die Freizeite2 geht, vertreten soll.
In Folge dieser Vergünstigung kann ich erst später und zwar nur drei Wochen, wenn Goetze nicht Gnade vor Recht gehen läßt, zu Euch kommen. Anderen Falls nehme ich die 3 Wochen zu Ende und fahre Weihnachten 10 Tage nach Düsseldorf, doch darüber sprechen wir noch.
Meinen Geburtstag habe ich auch diesem [Jahr] in vetterlicher-Gesellschaft gefeiert. Am Vorabend erhielt ich eine Visitenkarte von Adolph Jacob, der mich zu seinem Bärenführer erbat.
Ich eilte in den Luxemburgerhof und fand meinen dick aufgequollenen Bären, von Aachen, seinen alten Regimentskammeraden, kommend, in sehr heiterer Stimmung nach Weißhaus ausgeflogen.
Ich fuhr als ich Ihn oben angetroffen noch schnell die berühmtesten alten Römerbauten und zuletzt in das Münchner Kindl.
Ich brachte ihn sehr bald zu Bette und er lud mich noch zum anderen Mittag zu Gaste. In Folge (dessen), daß mehrere Kameraden anderen Tages in seiner gegenwart garatulierten, merkte er daß mein Geburtstag war und er stieß mich bei Tisch sogar auf Sekt.
(Anderen Tags) Am Nachmittage fuhr er weiter nach Cochem die Mosel abwärts um das schöne Moselthal zu beschauen und trug mir noch viele Grüße an Euch alle auf.

Fortsetzung Dienstag, den 21.08.83
Tante Bertha und Tante Alma haben auch zu meinem Wiegenfest Ihre Glückwünsche gesandt. Letztere hat mir auch, wenn ich nach Erfurt kommen sollte, eine Stiftung versprochen. Tante Bertha ist ganz böse, daß ich bei meiner Nähe, dieselbe noch nicht besucht habe und ladet mich dringend nach dem manöver zu sich ein, die gute Tante hat doch keinen Schimmer, wo hier der Knüppel leigt. Wie Ihr wohl in der Zeitung gelesen haben werdet kommt das 98te Regiment, in welchem Haus von Kraewel stand, nach Metz mit uns in ein und dieselbe Brigade Streccus.
Ich habe keine Ahnung, wie es um den guten Hans momentan steht. Könnt Ihr irgend etwas näheres über denselben erfahren, so bitte mir etwas darüber mitzuteilen. Hans ist der Einzige den ich von dem 98er Offizierkorps kenne.
Die Wetetrberichte prophezeien uns ein warmes Manöver. Gestern haben wir vor unseren neuen Brigade-Kommandeur Krüger unsere Regimentsvorstellung gehabt, die in der gewohnten Weise günstig ausfiel. In Folge dessen war gestern Liebesmahl und der vergossene Tropfen forderte bedeutenden Ersatz, so daß ich meinen Brief gestern nicht fortsetzen mochte.
Am 24.d.M. rücken wir aus ins Manöver und theile ich Euch beifolgend meine Dislokation mit. Briefe sowie gg. sind aber ruhig mit der Bemerkung zur Zeit im Manöver nach Trier zu dirigieren.
24/8-1/9 Farschweiler p. Fußmarsch
1/9-3/9 Sitzerath
3/9-4/9 Sötern
4/9-5/9 Buhlenberg
5/9-7/9 Sötern
7/9-8/9 Allgemeines Biwack
8/9-10/9 ???
10/9-11/9 Allgemeines Biwack
11/9-12/9 Illingen
12/9-13/9 Eppelborn
am 13/9 Abends von Saarlouis per Bahn nach Trier. Wie ich soeben in Erfahrung gebracht kroquire ich dies Jahr nicht für Stoll.
Spätestens am 17ten Octobeer komme ich nun 4 Wochen Urlaub ein. Mit 1000 Grüßen an verbleibe ich
Euer Gustav
Meine Briefeschulden hoffe ich noch während des Manövers abwickeln zu können.
Leo kommt zuerst an die Reihe. d. O.

Leutnant


  1. Antwort und Zulage pro Monat Septbr. u. Mittheilung der Lage der R.O. Gustav, Leo u. Hermann 

  2. oder Freite = Brautwerbung