Gustav Gerhardy an seinen Vater


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Trier1, den 25.1.1884
Herzlieber Vater!2

Schon frühzeitig mache ich mich auf den Weg um Dir, mein Herzensvater, zu Deinem übermorgigen lieben Wiegenfeste meine innigsten Glückwünsche darzubringen, und von allen liegt mir keiner so nah am Herzen, als wie der, daß Dein kommendes Lebensjahr Dir doch Linderung Deines Leidens verschaffen möge.
Mir geht es jetzt wieder ganz gut und fange ich trotz anstrengenden Dienstes jetzt wieder an dicker zu werden, denn ich war durch mein Leiden ziemlich mager an meinem Corpus geworden.
Man ließt jetzt in den Zeitungen so viel von einem neuen von einem belgischen Arzt " Dr. Liebig" erfundennen und bereits in vielen 1000 Fällen sich bewährte habenden blutreinigenden und bluterzeugenden Medicament Namens "Regenerator", würdest Du da nicht einmal einen Versuch mit machen, da ja doch Dein Leiden speciell aus dem Blut kommt?
Die Wirkungen die selbst hiesige Ärzte im hiesigen katholischen Krankenhause damit erzielt haben, sollen bei sonstiger Gesundheit der Organe eclatant sein.
Ich bin selbst zusehr Laie um darüber ein Urteil zu haben, aber die Kuren, welche derart gemacht und die Erfolge die damit erzielt, geben dem "Regenerator" den Ruf eines Wunderkrankleins.
Von unserem militärischen Leben kann ich wenig berichten. Meine Rekruten sind und bleiben zu meinem Ärger lange krumme und dumme Kerls.
Hoffentlich ist der Oberst im nächsten Monat am 14 Februar anderer Meinung. Jedenfalls ist es gut, wenn die eigene Kritik die schärfste ist.
Schon jetzt erhalten wir beständig große vielbogige Circulaire mit den tausenderlei Bestimmungen unserer neuen Garnison und unseres neuen Truppenverbandes zum durchzustudieren aus Metz.
Wenn ich an den Wachdienst dort denke wird mir ganz ängstlich zu muthe und ich werde noch gar manches und über diesen fluchen. Das wird übrigens der Frau später auch ganz komisch vorkommen, wenn sie 24 Stunden ihren Mann nicht zu Gesichte bekommt und beim besten Willen nicht zu ihm darf.
Ehe wir aber nach Metz kommen müssen nach menschlicher Berechnung noch mehrere Veränderungen in unserem Regiment vorkommen und hoffentlich fällt da wieder für uns Leutnants ein Paschen ab.
Dann hätte ich gerade in 3 Jahren 4 Pas gemacht, "angenehmer Kitzel so ein riesiges Avancement!"
Trotzdem haben wir schon wieder 6 Avantageure beim Regiment, zwei sind noch angemeldet und außerdem haben sich vier Kadetten gemeldet?
Man sollte diese Wuth auf die schlecht bezahlte und stagnirende Offizierkarriere gar nicht begreifen.
Von Berlin habe ich natürlich gute Nachricht, auch von H.Roth3. Onkel Hermann4 soll nach Roths Brief an Padagra festliegen. Ist das an dem ?
Doch ich muß schließen, denn der Dienst ruft. Verlebe, mein Herzensväterchen, Dein liebes Wiegenfest sogut, wie es Dir beim Zustand erlaubt, und sei herzinnig geküßt von Deinem glücklichen Sohn
Gustav
Viele Grüße an Euch Alle!


  1. Er. 26/27 84 beantwortet den 24.2 

  2. Transscription durch Sibylle Fährmann  

  3. möglicherweise Hermann Roth 

  4. möglicherweise Hermann Gerhardy der Onkel