Gustav Gerhardy schreibt an seine Bruder Leopold am 24. Juli 1881

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An den cand. jur. Herrn Leopold Gerhardy
Hochwohlgeboren
in Erfurt
Regierungsstraße 64

Ems, den 24. Juli 1881

Von Hermann Roth Karte erhalten. Ist wieder in seinem lieben Graudenz1
Lieber L.2

Inzwischen wird die von mir gestern flüchtig geschriebene Karte von Nassau bereits in eure Hände gelangt sein.
Nach starker Tour gestern hat Vater herrlich geschlafen und fleißig Holz gesägt, wenn er bei seiner Arbeit an einen Ast kam bin ich aufgewacht und habe ihm mit inniger Freude zugehört und im Herzen dieser Arbeit guten Fortgang gewünscht. Wenn ihr, ihn jetzt hier in seiner fiedelen Laune und mit seiner frischen Gesichtsfarbe sähet würde sich nicht nur Eure Seele in die Höh juchhe schwingen, und der Leib bleibe auch nicht auf ihrem Kanapee sondern schwänge sich um seinen Hals mit zum Kuße gespitzeten Schnäuzlein.
Ich habe nur einen Anspruch: „unser Alter sieht prächtig aus“ möge es noch recht recht lange so bleiben. Gott sei Dank begünstigt uns endlich kühles Wetter, die Hitze war auch factisch nicht mehr auszuhalten. Noch dazu mit meine Röcke eng geworden und bedrückten. Zwei Kragen habe ich bereits 1 cm weiter machen lassen müssen. Schließe daraus wie es mir geht und theile es der zärtlichst besorgten Mutter mit, damit Sie sich ein bißchen beruhigt.
Herzlichen Gruß Gustav


  1. heute in Polen 

  2. Transscription durch Sibylle Fährmann