Gustav Gerhardy an seine Eltern

Vorderseite Seite 2 Seite 3 Rückseite

Nr 15/4 82 Rosa B. Am 15/4 nach Castell in Pension.
Wernerb. ab....DK per Postkarte den 16/4.

Trier, den 13. April 82

Liebe Eltern1
Wenn ich auch heute weder die Zeit noch große Lust dazu verspüre einen längeren Brief anzufertigen, denn die Folgen des gestrigen Stiftungsfest des Regiments, – ihr erinnert Euch die Kompagnien trafen erst am 12. hier ein – das mit riesigem Pomp in Szene ging, wüthen und hämmern im Magen und Hirn, so kann ich doch meine .... nicht oder einen Gruß an Euch und … … mich für eure beiden herzerfreuenden Briefe vom 5. d. M. zu bedanken, abgehen lassen. Ihr seht, die Katerverstimmungen abgerechnet, geht es mit meiner Gesundheit täglich bergauf. Mein Hals ist, nachdem mir mein Leibarzt hier, Dr Edler calichloricum zum inhalieren verschrieben hat, binnen 8 Tagen so klar geworden, daß ich gestern unsere neuen Brigadekommandeur von Wulkwitz zur Freude unseres ganzen Kunstliebenden Offizierkors in verschiedenen Tonarten anstimmen konnte. Applaus geerntet! Hand, wollte sagen, Tatzen geschüttelt, ausgestoßen, längere Zeit geredet, bitte, das genügt. Bitte für den Fall, daß ich nächsten Winter bei euch musikalisch werden sollte, die Lieder "wohlauf nach getrunken den funkelnden Wein" von Schumann und das Frühlingslied von F. Wendel rechtzeitig anzuschaffen und die Begleitung einzuüben. Im übrigen wurde so viel geleistet nach allen Richtungen hin, daß der General, der oft vor Lachen sich seinen halben halten musste, beim weggehen zu unseren von Oetze sagte, er habe nie solche Vielfältigkeit in einem Offizierskorps zusammen vereinigt noch nie gefunden und hat sich bei unserem Oberst sehr herzlich für diesen Genuß bedankt.
Die Sitzung dauerte bis 8 Uhr von ½ 2 Uhr ab. Da man während einer solchen Zeit nicht trocken sitzen konnte und der Musikanten Kehlen halt wie ein Loch sein, so sahen die Straßen sehr wunderlich aus. Ich habe nach dem Diner noch dem armen Schickhart der nun schon bald 4 Wochen an einem offenen Bein im Lazareth liegt noch einen Besuch gemacht, bin dann gegen 9 Uhr heimgegangen und habe den Schlaf der Gerechten getan. Am zweiten Osternachmittage bin ich mit Hallwachs in Civil um 2 Uhr nach Luxemburg gefahren. Um ½ 4 waren wir dort. Der erste Bekannte, den wir dort, kaum dem Zuge entstiegen, trafen, war Frl. Wolff, mit der wir vorigen Sommer fleißig getanzt. Dieselbe wurde geh- und begrüßt und sofort war die Bekanntschaft mit Eltern und noch anderen Familien hergestellt. So Gott will, bin ich übermorgen auch wieder drüben, da ein großer Ball stattfindet, zu dem vier Herren unseres Regiments eingeladen werden sollten. Bis jetzt ist noch keine Einladung erfolgt. Die Gegend sowohl wie die Mädchen sind drüben sehr hübsch und viele haben satt Geld und das stinkt bekanntlich nicht wieder große Kurfürst gesagt hat.
Mit tausend herzlichen Grüßen
Euer Sohn Gustav


  1. Transscription durch Sibylle Fährmann