Gustav Gerhardy an seine Eltern


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Trier, den 4.October 1883

Herzliebe Eltern1
Endlich heute am 4d.M. komme ich dazu, Euch für die letzten Briefe und die etwas knapper gewordene Zulage meinen Dank auszusprechen.
Wenn ich eher die Zeit dazu gehabt hätte würde ich spezielle betreffs der Letzteren einen Wunsch geäußert haben. Doch da Du, Herzensvater, wie ich weiß nach Deinem besten Können handelst, so füge ich mich. Da ich an meinem Alltäglichen, meiner Leibespflege selber, nicht knapsen darf, so habe ich mich entschlossen eine billigere Wohnung auf dem Breitenstein No 5.(mangelhafte Gegend) für 21.M. monatlich zu miethen, ferner habe ich meinen Sorgenstuhl zum Verkauf meinem Schneider übergeben und werde wohl auch , so schwer es mir wird, mich von meinem truesten Begleiter trennen müssen. An alledem ist der pekuniäre Ausfall von 65.M. in den letzten beiden Monaten und das sehr theure Manöver Schuld. Es ist traurig aber wahr "Leutnant zu sein ist ein glänzendes Elend". Jetzt, nachdem wir hier 3 Jahre gestanden, und demnächst Trier verlassen, da beginnen oberwärts die Verhandlungen Trier in die 1 Servisklasse zu versetzen. Für uns ein Ausfall von 130 Thalern in den 3 Jahren, wo wir hiergestanden. Doch genug davon, ich habe mich bereits daran gewöhnt zu rechnen, und in Metz wird es besser.
Was meine Adjudantur Vertretung anbetrifft, so ist dieselbe sehr gut bekommen, nur schade, daß ich nicht von Stoll habe dabei lernen können, denn er ist nach Wiesbaden, Stoll war 17 Jahr Adjudant. Bis jetzt hat Ihn Balser, sein Nachfolger, vertreten und war derselbe sehr anspruchsvoll, indem er mich jeden Tag 10 1/2 Uhr persönlich sprechen wollte, wenn auch keine Sachen zum Vortag da waren. Vermöge der mir angewöhnten Schweigsamkeit gegen Vorgesetzte bin ich Ihm recht gut zu Recht gekommen. Jetzt ist auch Balser auf Urlaub und Major Buchfink führt das Bataillon.
Dieser Wechsel ist zwar von keinem großen Nutzen für meine Ausbildung, aber man lernt doch den Unterschied zwischen der Behandlung des Adjudanten seitens der Vorgesetzten kennen. Balser war mir der unangenehmste. (J.Tippel2) Gott Lob, daß der 10October vorrüber. Mit diesem Tage beginnnt nämlich unser militärisches Jahr und sind zu diesem Tage so viel Terminal-Eingaben. Berichte gg. fällig, daß mein Unterpersonal verschiedende mal hat bis Nachts 12 Uhr schreiben müssen. Jetzt gibt es Luft, und findet sich die Zeit um wieder alte Briefschulden zu erledigen.
Mit Freude sehe ich dem 17 d. M. entgegen. Dann kommt nämlich Nixdorf von seiner Hochtzeitsreise zurück und ich kann dann hoffentlich noch 3 Vesg. 4 Wochen auf Urlaub gehen. Ich habe mir zunächst mit Hermann Roth3, der momentan in Düsseldorf ist ein Rendez-vous bei Onkel H. in Heiligenstadt gegeben, woselbst ich wie Onkel gebeten 8 Tage bleiben soll. Von da eile ich zu Euch und dann zu meinen sicher letzten Rekruten. Da ich in Civil fahren möchte, so bitte ich, weil mein jetziges Civil schon nicht mehr ganz gut, nur bei Kühne ein solches aus starkem Herbststoff in möglichst praktischen Farben zu bestellen Rock und Hose brauchen nicht egal zu sein, der Preis den ich dafür ansetze sind höchstens 90M.(Rock Hose Weste) Mein Maaß hat Kühne, die Hose wünsche ich bequem und mit mittelweit. Bitte die Bestellung so zu machen, daß die Sachen am 15.Oc. in meine Hände gelangen. Daß es Papa besser geht und ihr gutes Wetter habt, freut mich ungemein. Hier ist es kalt und regnet es permanent, so daß ich mich am wohlsten fühle, wenn ich meine Beine auf dem geheizten Bureau unter den Tisch stecken kann. Was werden nach einer so bequemen Zeit die Rekruten schlecht schmecken.
Auf frohes Wiedersehen
Euer Gustav
Gustav.


  1. Transscription durch Sibylle Fährmann 

  2. möglicherweise eine Umschreibung für marschieren 

  3. möglicherweise Hermann Roth